Wo bleibt die Gerechtigkeit und das Gewissen?
Auf der einen Seite steht eine deutsche Serienmörderin vor Gericht, die wegen geplanter, kaltblütiger ”Hinrichtung“ von zehn Menschen, darunter acht Türken, angeklagt ist. Sie darf entspannt vor die Richter spazieren und neben ihren Verteidigern Platz nehmen.
Auf der anderen Seite stehen fünf junge türkische Männer vor dem Richter, weil sie Schuld an dem Tod von Jonny K. sind, der nach einer nächtlichen Prügelattacke am Alexanderplatz in Berlin an den Folgen der Schläge starb. Sie sitzen hinter Panzerglas.
Für den türkischen Vize-Ministerpräsident Bekir Bozdağ ein Zustand, der sich nicht mit dem Gewissen vereinbaren lässt. Bozdağ, der auch Vorsitzender der Auslandstürken und Verwandter Völker ist, sprach auf einem juristischen Bildungsseminar in der belgischen Hauptstadt Brüssel. Er kritisierte in seiner Rede das deutsche Rechtssystem scharf und: „Am Münchener Oberlandesgericht findet der Prozess gegen die rechtsextreme Terrorzelle NSU statt mit einer Hauptangeklagten, der Mord an acht Türken, einem Griechen und einer Deutschen vorgeworfen wird. Ihre Verhandlung findet in einer entspannten Atmosphäre statt. Die Prozedur und die Regeln sind so und keiner hat was dagegen. Gleichzeitig findet in Berlin ein Prozess statt. Es sind fünf Türken angeklagt, bei einer feigen Straßenschlägerei einen deutschen Staatsbürger getötet zu haben. Die Prozedur ist die gleiche, aber sie werden in Panzerkäfigen ins Gefängnis gebracht.“
Wo ist der Rechtsstaat?
Bozdağ: „Die eine ist Rechtsextrem, Neo-Nazi, Mitglied einer Terrorzelle. Die anderen haben diese besonderen Eigenschaften nicht. Wenn man sich dass Ergebnis anschaut, ist sie eine Mörderin, die anderen Mörder. Aber wenn man bei zwei Prozessen, bei denen Mörder vor Gericht stehen zwei verschiedene Verhandlungen abhält, wenn ein Gericht bei der Verurteilung der mutmaßlichen Mörderin, die Prozedur der entspannten Atmosphäre anwendet, während das andere Gericht die mutmaßlichen Mörder in gepanzerten Käfigen vorführen lässt, wird man fragen dürfen: Wo ist hier die Gerechtigkeit? Wo ist hier das Gewissen? Wo ist der Rechtsstaat? Wären die Angeklagten in Berlin nicht Türken sondern Deutsche, hätte man sie auch in Panzerkäfigen vor das Gericht gestellt?“
Detaillierte Post auf SABAH AVRUPA – Die Türkische Tageszeitung.