Wie weiter für die LINKE?
Nils Böhlke
2005 bis 2009 war DIE LINKE als Kraft gegen Sozialraub und Krieg und als Sammelbecken verschiedener linker Traditionen das erfolgreichste linke Parteiprojekt in Europa gewesen. Während in anderen Ländern zahlreiche linke Parteien auf das Niveau von Splitterparteien zurückfielen, konnte DIE LINKE weit in den Bereich der gewerkschaftlich orientierten FacharbeiterInnen ausstrahlen und 2009 bei den Erwerbslosen sogar stärkste Partei werden.
Auf dem Parteitag in Göttingen war von der Aufbruchstimmung der ersten Jahre aber nicht mehr viel zu spüren. Stattdessen war es vor allem Existenzangst angesichts der schlechten Wahlergebnisse in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen, die zu spüren war. Aber die Partei wird mit der Existenzangst nicht glaubwürdiger, erst recht angesichts der weiter zunehmenden Umverteilung von unten nach oben, der Entdemokratisierung durch den Fiskalpakt und die Bankenrettungspakete und den drohenden Kriegen in Syrien und Iran. Deshalb steht die Partei vor der Frage, wie sie es schaffen kann, die anstehenden gesellschaftlichen Fragen so anzugehen, dass sie nicht nur wieder mehr gesellschaftliches Gewicht erhält, sondern auch tatsächlich etwas verändert.
Dabei geht es zunächst einmal darum, eine klarere inhaltliche Zuwendung auf die angesprochenen Auseinandersetzungslinien zu schaffen. So ist DIE LINKE in ihrer Position zu den Bankenrettungsschirmen und dem Fiskalpakt bislang zu wenig in die Bevölkerung durchgedrungen und hat diese auch noch nicht klar genug formuliert. Auch das Nein zu Kriegen in Syrien und Iran muss stärker betont werden.
Das größte Problem ist allerdings, dass auf die Frage, wie gesellschaftliche Veränderung erreicht werden kann, die Antworten innerhalb der Partei sehr unterschiedlich sind. Zwar betonen alle Protagonisten in ihren Reden immer wieder die Relevanz außerparlamentarischer Bewegungen, im realen politischen Alltag wird aber ein erheblich größerer Teil der Arbeitskraft in den Ausschüssen der Parlamente über Sitzungsmaterial verbracht, als bei der Bündnisarbeit beim Aufbau sozialer Bewegungen. Dementsprechend wird durch die Aufmerksamkeit auf die bürgerlichen Parlamente auch deren Rolle in der eigenen Wahrnehmung überhöht. Es wird angenommen, dass sich gesellschaftliche Veränderungen in den Parlamenten und sogar in Koalitionen mit SPD und Grünen erreichen lassen. Die Idee, das Parlament als Sprachrohr sozialer Bewegungen zu nutzen und auch Impulse in die Gesellschaft zu geben, wird dagegen kaum oder zu wenig umgesetzt. Auch in internen Sitzungen, in denen es wenig um politische Auseinandersetzungen und viel um interne Querelen geht, prägen das Bild der Partei. Dabei ist aber der Streit nicht die Ursache der Krise der Partei, sondern nur ein Symptom einer Partei, die nicht erfolgreich ist.
Von daher ist es ein Schritt in die richtige Richtung, wenn auf dem Göttinger Parteitag mit Bernd Riexinger ein Parteivorsitzender gewählt worden ist, der als Gewerkschafter in den sozialen Bewegungen stark verankert ist, unter anderem die Proteste gegen die Agenda 2010 im Jahre 2003 maßgeblich mit organisiert und im vergangenen Jahr auch eine wesentliche Rolle bei den Protesten gegen Stuttgart 21 gespielt hat. Auch in seiner gewerkschaftlichen Arbeit steht Bernd Riexinger stärker als kaum ein anderer für eine stärkere Orientierung der Kämpfe auf Selbstaktivität der Beschäftigten und eine Verbindung der betrieblichen Auseinandersetzungen mit gesellschaftlichen Kämpfen. Gerade im Krankenhausbereich und bei den Kitas hat dies zu erstaunlichen Erfolgen geführt. Eine solche Praxis der Konzentration auf Bewegungsaufbau und auf Selbstaktivität der Mitglieder könnte auch DIE LINKE wieder attraktiver und wirkungsmächtiger machen.
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