Servet ist wie ein Jackpot!
SABAH sprach mit Melda Alkan, der Freundin des türkischen Olympiasiegers Servet Tazegül. Melda, die Servet seit 17 Jahren kennt, erzählt: „Nachdem unser Trainer Nurettin Hoca von unserer Beziehung erfuhr, sagte er: Wenn Du den Lotto-Jackpot gewonnen hättest, hätte ich mich nicht so sehr für dich freuen können. Ich wünsche euch viel Glück. So ist Servet, ein Servet (Der Name bedeutet im Türkischen Vermögen, Reichtum, Schatz) für mich.“
Wir haben mit Melda, die im selben Verein mit Servet trainiert, nach ihrer Rückkehr aus London gesprochen. Sie hat in London Deutschland vertreten, während ihr Freund für die Türkei gekämpft hat. Die junge, sympathische Frau hat unsere Fragen offen und herzlich beantwortet und uns viel über Servet verraten, was wir nicht wussten.
Wie war London?
Ich habe als Ersatzsportlerin im Deutschen Team bei den Olympischen Spielen teilgenommen. Gleich nach unserer Ankunft haben wir mit dem Training angefangen. Wir waren sehr eingespannt. Mit den Sportlern aus den anderen Nationen hatten wir kaum Kontakt. Jeder hat in seinem Bereich trainiert. Sogar Servet habe ich vor den Wettkämpfen kaum gesehen. London war eine tolle Erfahrung. Leider hatten wir kaum Zeit uns die Stadt anzusehen. Unsere Gedanken waren nur bei den Kämpfen.
Wann hast Du mit Teakwondo angefangen und warum?
Ich habe mit sechs Jahren mit Teakwondo begonnen. Eigentlich wollte ich Ballett machen, aber meine Mutter wollte mich wie einen Jungen erziehen. Ich glaube, dass lag daran, dass sie sich gerade von meinem Vater getrennt hatte. Damit ich mich verteidigen kann, wenn es nötig ist, hat sie mich beim Teakwondo angemeldet. Die ersten Wochen bin ich weinend hingegangen. Deshalb musste meine Mutter mittrainieren. Das ging fünf Jahre so, bis ich meinen roten Gürtel hatte. Ein paar Monate, nachdem ich mit Teakwondo angefangen hatte, hatte ich mich daran gewöhnt und hatte richtig Spaß daran. Ich kann sogar sagen, dass ich süchtig danach bin. Wenn ich nicht trainiere fehlt mir etwas.
Wann hast Du Servet kennengelernt?
Ich habe Servet vor 17 Jahren als ich mit Teakwondo anfing kennengelernt. Ich war sechs, er war sieben. Als wir klein waren, hat er mich beim Training oft verprügelt (Sie lacht herzlich). Danach waren wir richtig gut befreundet. Seit eineinhalb Jahren sind wir zusammen. Am Anfang waren wir sogar selbst überrascht, dass wir zusammengekommen sind.
Wie hat euer Umfeld auf eure Beziehung reagiert?
Unser Umfeld hatte ich daran gewöhnt, dass wir Freunde sind. Als wir dann plötzlich zusammen waren, waren sie natürlich überrascht. Meine Mutter war sehr ergriffen, hatte Tränen in den Augen und sagte: „Ich habe ihn wie einen Sohn geliebt, jetzt werde ich ihn wie einen Schwiegersohn lieben“.
Mein Trainer Nurettin Hoca hat gesagt, dass er mit mir sprechen möchte und nahm mich beiseite. Erst hatte ich angst, aber als er dann sagte: „Servet ist ein sehr guter Mensch. Ich hätte mich nicht mehr für dich gefreut, wenn du einen Sechser im Lotto gewonnen hättest. Ich wünsche euch viel Glück“, war ich richtig erleichtert. Die Reaktionen dieser beiden Menschen war für mich das Wichtigste. Das sie unsere Beziehung so positiv aufgenommen haben, hat mich beruhigt und glücklich gemacht.
Du kämpfst für Deutschland, er schwitzt für die Türkei. Wie haben eure Familien reagiert?
Für mich ist neben dem Sport auch meine Karriere wichtig. Ich hätte mich nicht von hier entfernen können. Seit 2010 bin ich Bundeswehr-Studentin und Sportsoldatin. Ich studiere an der Ansbach Universität Internationales Management. Deshalb habe ich mich für die Deutsche Nationalmannschaft entschieden. Es war keine einfache Entscheidung. Ich fühle mich hierher zugehörig, aber auch dorthin zugehörig.
Ich schaue mir die Wettkämpfe der Türkei sehr gerne und sehr gespannt an. Aber ich habe auch kein Problem damit, Deutschland zu vertreten. Ich habe mich in der deutschen Nationalmannschaft nie fremd gefühlt. Die Zahl von Sportlern mit Migrationshintergrund ist sehr hoch. Servets einziger Traum war der Sport. Und weil er sich nur für den Sport entschieden hat, ist er freier. So war es für ihn einfacher, die türkische Nationalmannschaft zu wählen. Denn das bedeutet, dass er monatelang nicht hier ist.
Was hast Du bei den Kämpfen von Servet gefühlt?
Ich war sehr aufgeregt. Vor dem Kampf haben wir Tränen vergossen, nach dem Kampf haben wir Tränen vergossen. Ein unbeschreibliches Gefühl. Ich hatte gedacht, dass ich entspannter sein würde, weil ich selbst eine Kämpferin bin, aber ich war so angespannt als würde ich selbst kämpfen.
Servet hat trotz des Todes seiner Mutter gekämpft und gewonnen. Das er ein starker Charakter ist, ist sicher. Was für ein Mensch ist Servet?
Ein sehr mitfühlender. Er ist wie er ist. Ein introvertierter Mensch. Er zeigt es nicht, wenn er traurig ist. Er liebt es die Menschen glücklich zu machen. Servet gibt nicht auf, er kämpft bis zum Schluss. Wenn Servet kämpft, dann versammeln sich die Menschen um ihn und interessieren sich nicht für die anderen Kämpfe. Er ist nicht einer von denen, die sich mit ein paar Punkten zufrieden geben. Er macht bis zum Schluss weiter, zeigt Aktionen wie Treten beim Drehen. Servet verdient sich seine Siege und hebt dabei nicht ab. Deshalb wird er für seine Kampftechnik, aber auch für seine Persönlichkeit geliebt. Wir sind stolz auf Server. Mit seinen Erfolgen zeigt er, dass er sich richtig entschieden hat.
Habt ihr Pläne für die Zukunft?
Wir denken übers Heiraten nach. Vielleicht nächstes Jahr. Aber so was kann man natürlich nicht mit Bestimmtheit sagen. Aber falls ich irgendwann eine Tochter bekomme, die Ballett machen will, werde ich sie hinschicken (lacht). Servet und ich nutzen die Technik um unsere Sehnsucht zu stillen. Weil ich auch Teakwondo mache, verstehe ich ihn, Trainingskamps, Wettkämpfe … Probleme wie Eifersucht oder Missverständnisse haben wir nicht.
Was möchtest Du uns zum Schluss sagen?
Familien sollten ihre Kinder unbedingt für eine Sportart anmelden. Teakwondo empfehle ich jedem. Dieser Sport hält die Kinder von schlechten Einflüssen fern. Sie werden disziplinierter. Dabei entstehen schöne und bleibende Freundschaften. Das wichtigste ist jedoch: Ich schulde Nurettin Hoca viel. Er kümmert sich um alle Kinder als wären es seine eigenen. Er macht keine Kompromisse. Wenn ich einmal nicht zum Training erscheine, ruft er meine Mutter an (lacht).
Detaillierte Post auf SABAH AVRUPA – Die Türkische Tageszeitung.