Ruhe in Frieden Türkeis Friedenbotschafter!
Der frühere Minister Şerafettin Elçi (der Nachname bedeutet auf Deutsch “Botschafter“), der für seine Worte “In der Türkei gibt es auch Kurden. Ich bin Kurde!“ nach dem Militärputsch 1980 (die 12. September Revolution) zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt wurde, ist mit 74 Jahren seiner Krebserkrankung erlegen. Der Abgeordnete aus der Stadt Diyarbakır hat sein Leben für eine friedliche Lösung des ”Kurdenkonfliktes“ im Lande gewidmet. An der Trauerfeier in der Großen Türkischen Nationalversammlung (TBMM) nahm die politische Spitze des Landes teil – nur die Mitglieder der MHP (die Nationale Volkspartei) blieben geschlossen der Verabschiedung fern.
Nachdem der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan über den Tod von Elçi informiert wurde, rief er sofort dessen Schwiegersohn Mustafa Denizli, den früheren Trainer der türkischen Nationalmannschaft, an und brachte sein Beileid zum Ausdruck. Erdoğan besuchte auch die trauernde Familie. Bei seiner Ankunft wurde gerade Koran für den Verstorbenen gelesen und der Ministerpräsident blieb 30 Minuten dort. Als das Thema “Kurdenkonflikt“ auf den Tisch gebracht wurde, sagte er: „Es gibt einen Konflikt und wir tun alles, um ihn zu lösen.“
Tuncay Matarcı, der während der Ecevit Regierung Minister für Bau- und Stadtentwicklung war, sagt über seinen alten Freund: „Wir waren im gleichen Gefängnis. Alle, die uns diese Schmerzen zugefügt haben, müssen heute Rechenschaft ablegen und die gleichen Schmerzen erdulden.“
Mustafa Denizli
Mustafa Denizli, Trainer von Çaykur Rizespor, war bis zum letzten Atemzug an Elçis Seite. Er sagt: „Wir haben einen Menschen verloren, dessen Platz in der Politik nicht gefüllt werden kann. Er war nicht nur ein Schwiegervater, sondern ein wertvoller Freund. Er hat in der türkischen Politik seine Spuren hinterlassen.“ Renas Elçi, der älteste Sohn des Verstorbenen, betont, dass sein Vater einen mühevollen politischen Kampf geführt hatte und sagt: „Sein Leben lang hat er sich für eine Lösung abgemüht, einen Demokratie-Kampf geführt.“
Ahmet Türk
Ahmet Türk, Vorsitzender der DTK (Demokratische Gesellschaftskongress), erklärt, dass Elçi eine Politik des Kopfes gemacht hat und sagt: „Wir haben einen sehr guten Freund verloren. Unser Schmerz ist groß.“
Yaşar Kemal
Der türkische Autor Yaşar Kemal sagt: „Türkeis demokratische Suche hat eine ehrenhafte und konsequente Stimme verloren. Er war ein Held.“ Der BDP Vorsitzende Demirtaş erklärt: „Das politische Erbe, das er hinterlassen hat, wird den Demokratie- und Freiheitskampf beleuchten.“
Elçi wird nach seinem Wunsch in seiner Heimatstadt Cizre beigesetzt. Der irakische Kurdenführer Barzani hat der Familie telefonisch sein Beileid ausgedrückt und mitgeteilt, dass er einen Vertreter zur Beerdigung schicken wird. Elçis letztes Interview mit SABAH:
”Es gibt immer noch eine Möglichkeit für eine Lösung. Ich habe Hoffnung.“
”Unsere Generation ist die letzte Chance für eine Lösung“, sagte Elçi in einem Interview, das er kurz vor seinem Tod mit SABAH führte. Elçi erklärte: „Der Frieden wird auf jeden Fall in dieses Land kommen. Es gibt immer noch eine Gelegenheit für eine Lösung. Ich habe meine Hoffnung nicht verloren. Man muss die Stimmen des kurdischen Volkes hören, man muss mutige Schritte gehen, um Empathie aufzubauen.“ Bei der Verteidigung der Rechte sei man nicht der gleichen Ansicht wie die BDP, so Elçi und: „Wir waren beim Thema Özalan und PKK nicht der gleichen Meinung.“
Auch während seiner Behandlung trafen wir uns oft mit Elçi, der sein Leben der friedlichen Lösung des Kurdenkonfliktes gewidmet hatte. Zuletzt sprachen wir mit ihm wegen der Friedensinitiative der Zivilorganisation und zum Thema Aufhebung der Immunität von BDP-Politikern. Die Initiative “Weise Männer“, über die Erdoğan sagte: ”Würde ich mit ganzer Kraft unterstützten“, nehme er sehr wichtig, so Elçi und: „Eine gemeinsame Weisheit brauchen wir alle. Die Lösung des Kurdenkonfliktes ist nicht so schwer, wie es erscheint. Alle müssen Empathie aufbauen. Dieser Konflikt muss dem türkischen Volk richtig erklärt werden. Wenn Türken und Kurden anfangen einander zu verstehen, wäre der erste Schritt für eine gemeinsame Weisheit getan.“ Die Diskussionen um die Aufhebung der Immunität wären sinnlos, so Elçi und: „Mein Leben lang habe ich die Wichtigkeit von der Demokratie und der Demokratisierung betont. Die Schließung von Parteien, das Verbot von Politikern dienen nicht der Demokratie. Die Aufhebung der Immunität von unseren BDP Freunden ist keine Lösung.“
“Jede Art von Gewalt schadet uns allen. Wir möchten in diesem Land nicht mehr Blut riechen. Das ist, was wir alle wollen. Wenn die Regierung entschlossen und wohlwollend für eine Lösung ist, sollte sie zuerst die kurdischen Politiker aus den Gefängnissen freilassen. Die Ungerechtigkeiten gegenüber den kurdischen Bürgern sollten ein Ende nehmen. Die Partei AK trägt in dieser Hinsicht eine große Verantwortung. Sie muss mutig sein. Zuerst müssen die Operationen unter dem Namen KCK beendet und die Menschen freigelassen werden. So kann die Wut der Kurden nachlassen. Meine Einstellung zu Öcalan und der PKK war immer deutlich. Ich habe immer zur Sprache gebracht, dass ich gegen jede Art von Gewalt bin. Natürlich ist das der Punkt, in dem ich mich von der BDP differenziert habe. Aber ich habe auch versucht sie zu verstehen. Ich wurde niemals wegen meiner differenten Ansichten bedroht oder unterdrückt. Im Gegenteil, sie haben sie respektiert.“
Zum Hintergrund:
Şerafettin Elçi wurde 1938 in der südostanatolischen Stadt Cizre geboren. Der Absolvent der Juristischen Fakultät in Ankara wurde als einer von 49 kurdischen Intellektuellen 1959 wegen separatistischem Treiben verurteilt. Der Fall wurde als “49er Prozess“ bekannt und ging in die Geschichte ein.
Nach dem Memorandum vom 12. März 1971 kam er wegen dem “Kurdistan Demokratie Partei“-Fall für acht Monate in ein Militärgefängnis. Bei den Wahlen 1977 kandidierte er in der türkischen Stadt Mardin und wurde zum Abgeordneten gewählt. Im Fall “Güneş Motel“ war er einer der 12 zurückgetretenen AP-Politiker. Dabei handelt es sich um die Wahlen von 1977, die die CHP (Republikanische Volkspartei) zwar gewann, aber aufgrund von fehlender Mehrheit keine Regierung bilden konnte. Auch beim zweiten Wahlgang gewann die CHP und warb um die wegen der Wahlniederlage zurückgetretenen Abgeordneten der gegnerischen AP (Gerechtigkeitspartei). Bülent Ecevit, der CHP Vorsitzende, traf sich mit diesen 12 Abgeordneten unter höchster Verschwiegenheit, doch die heimlichen Treffen wurden dennoch öffentlich. Die weiteren und entscheidenden Zusammenkünfte fanden im “Güneş Motel“ in Istanbul statt. So wurde Elçi Minister für Bau- und Stadtentwicklung in der Regierung von Ecevit von 1978 – 1979.
Nach dem Militärputsch von 1980 wurde er wegen seiner Worte: „In der Türkei gibt es auch Kurden. Ich bin Kurde.“ vom Kriegsgericht zu 2 Jahren und 3 Monaten Gefängnis verurteilt. Nach dem Putsch bekam er wegen des Verdachts der “Einstellung von kurdischen Mitarbeitern“ vom Obersten Gerichtshof zu mehr als 2-jährige Haftstrafe. 1992 gründete er mit 98 kurdischen Intellektuellen zusammen die Kurdische Volks- und Freiheitsstiftung. Zum ersten Mal in der Geschichte der Republik wurde eine Organisation mit dem Wort “Kürt“ im Namen anerkannt. Elçis Demokratik Kitle Partisi (Demokratische Massenpartei) wurde 1999 vom Verfassungsgericht verboten. Er verbrachte insgesamt 30 Monate im Gefängnis und durfte 10 Jahre nicht aktiv politisch tätig sein. Außerdem wurde ihm seine Zulassung als Anwalt aberkannt.
2006 kehrte Elçi als Vorsitzender der KADEP (Katılımcı Demokrasi Partisi – Teilnehmende demokratische Partei) in die Politik zurück. Bei den Parlamentswahlen am 12. Juni 2011 trat er als unabhängiger Kandidat für die Provinz Diyarbakır an und gewann. Dafür war er zuvor aus der KADEP ausgetreten und wurde von der Emek, Demokrasi ve Özgürlük Bloku (Block der Arbeit, Demokratie und Freiheit) unterstützt. Die Anklagen gegen ihn nahmen kein Ende. Die Klage wegen “Propaganda für eine Untergrundorganisation“ wurde auf den 21. Januar 2013 verschoben. Şerafettin Elçi war mit Fatma Elçi verheiratet. Er hinterlässt sieben Kinder.
Detaillierte Post auf SABAH AVRUPA – Die Türkische Tageszeitung.