Der Kampf gegen die Leiharbeit wird weitergehen!

Christian Frings
Viele Jahre haben die ArbeiterInnen von Klüh, die täglich die Flugzeuge vor allem der Air Berlin putzen, einen sehr erfolgreichen Widerstand entwickelt. Es war ihnen gelungen, die Spaltungen zwischen verschiedenen Nationalitäten und zwischen Frauen und Männern zu überwinden, und sie hatten sich einen starken einheitlichen Betriebsrat geschaffen, den die Firma auch mit diversen Bestechungsversuchen nicht auf ihre Seite ziehen konnte. Nicht nur im Großkonzern Klüh, sondern in der gesamten Putzbranche, stellten die erkämpften Arbeitsbedingungen einen Sonderfall dar: Feste Schichtpläne statt totaler Flexibilisierung, Einschränkung der Leiharbeit und Übernahme von Befristeten, eine gerechte Verteilung von Überstunden und zuschlagspflichtiger Sonn- und Feiertagsarbeit (siehe ausführlicher dazu „Wie eine rebellische Belegschaft entsorgt werden soll“ in Yeni Hayat Nr. 21). Eine ehemalige Kollegin aus der Buchhaltung sagte ihnen mal: „Im Klüh-Konzern habt ihr Geschichte geschrieben. So etwas hat es in dieser Firma noch nicht gegeben“.
Klüh’s strategischer Gegenangriff
Nachdem auch die letzten Versuche, den Betriebsrat zu bestechen, ins Leere gelaufen waren, überlegten sich die Klüh-Chefs zusammen mit Rechtsanwalt Helmut Naujoks (der für seine Ratgeber wie „Kündigung von Unkündbaren“ bekannt ist) eine Strategie. Folgendes Problem war zu lösen: Der Betriebsrat musste beseitigt und die rebellische Belegschaft eingeschüchtert werden, andererseits wollte Klüh nicht den lukrativen Auftrag mit der Air Berlin verlieren. In beispielhafter Weise wurde dann die Gewerkschaft an der Nase herumgeführt. Air Berlin forderte Kostensenkungen, Klüh beteiligte sich nicht mehr an der Ausschreibung und kündigte die Schließung des Betriebs an. Gleichzeitig wurde die Gewerkschaft in den Verhandlungen um einen Sozialplan vor der Einigungsstelle mit der Perspektive geködert, dass es zu einem Betriebsübergang zu einer anderen regionalen Putzfirma (Wieprecht aus Köln) kommen solle. Nach einigen Protestaktionen im April und Mai und nach der kurz mal angedachten Möglichkeit, für einen Sozialtarifvertrag auch zu streiken, entschied sich die zuständige Gewerkschaft IG BAU zum Stillhalten und versuchte, der Belegschaft den in der Einigungsstelle diskutieren Sozialplan bzw. die Erhaltung der Arbeitsplätze durch einen Betriebsübergang schmackhaft zu machen. Selbst eine harmlose Mahnwache vor der Klüh-Verwaltung in der Düsseldorfer Innenstadt mussten die ArbeiterInnen den hauptamtlichen Gewerkschaftsfunktionären mühsam abtrotzen. Dass Sympathisanten aus dem linken Umfeld vor den Schaltern von Air Berlin im Terminal des Düsseldorfer Flughafens Solidaritätsflugblätter verteilten, fand die Gewerkschaft „idiotisch“, weil damit der Übergang gefährdet würde. Vergeblich hatten die Betriebsräte versucht, über die neue Firma etwas in Erfahrung zu bringen. Die Gewerkschaft pries das Angebot als „Rettung der Arbeitsplätze“, ohne selbst überprüft zu haben, wie ernst es gemeint war.
Ende August platzte dann die Bombe: Es war nie eine andere Firma ernsthaft für den Air-Berlin-Auftrag im Gespräch gewesen; vielmehr sollte die Arbeit in Zukunft von der Firma DLG, einer Leiharbeitsfirma am Flughafen, gemacht werden. Und die wiederum gehört zu 51 Prozent dem Klüh-Konzern.
Die Profite aus dem Auftrag kann damit weiter Klüh einstreichen, und der Luftballon „Betriebsübergang zu Wieprecht“ hatte nur als Ablenkungsmanöver gedient, um weitere Protestaktionen zu verhindern und die Gewerkschaft zum Einlenken zu bewegen.
Verpasste Chance Streik
Jetzt wäre der Zeitpunkt gewesen, die gewerkschaftliche Strategie zu überdenken und wirklichen Druck auf die Firma auszuüben. Damit scheint Klüh gerechnet zu haben und hatte in der Ferienzeit begonnen, pro Schicht zwei der arbeitsintensiven Langstreckenflieger an die Konkurrenzfirma WISAG zu vergeben. Trotzdem hätten die KollegInnen mit unangekündigten Warnstreiks Klüh erheblich unter Druck setzten können – das hatten sie in der Tarifrunde der IG BAU im Oktober 2009 gezeigt und waren dafür von den Gewerkschaftsfunktionären besonders gelobt worden, die in dieser Branche nicht auf viele derartig streikbereite und streikfähige Belegschaften zurückgreifen konnten. Jetzt aber wurden alle möglichen fadenscheinigen Ausreden bemüht, um der kampfbereiten Belegschaft zu erklären, warum ein Streik nicht möglich sei: Sie könnten keinen Druck ausüben, weil Klüh sofort Streikbrecher einsetzen würde. Dabei hatte die Taktik der Blitzstreiks in der Tarifrunde gezeigt, dass sich gerade am Flughafen mit den extrem dichten Rhythmen von Starts und Landungen keine Firma auf solche Überraschungsaktionen einstellen kann. Oder es hieß, die Gefahr einer Aussperrung mache den Streik unmöglich – dann sollte die Gewerkschaft ihren Laden zumachen, denn rein theoretisch ist immer eine Aussperrung möglich. Die Unternehmer in Deutschland wissen sehr wohl, dass Aussperrung die extreme Politisierung eines Konflikts bedeutet und machen daher nur vorsichtigen Gebrauch von ihr. Letztlich schien es der Gewerkschaft nur darum zu gehen, den Konflikt unter den Teppich zu kehren und möglichst schnell mit irgendeinem Ergebnis herauszukommen. Versuche des Betriebsrats, weiterhin mit Aktionen Druck zu machen, brachten ihm seitens der Gewerkschaft den Vorwurf ein, er wolle den Konflikt „politisch instrumentalisieren“.
Sozialplan zur


Ausweitung der Leiharbeit

Bei den letzten Verhandlungen am 21. September versuchte der Betriebsrat stundenlang, gegen den auf dem Tisch liegenden Sozialplan zu argumentieren. Denn der sah genau das vor, was Klüh von Anfang an angestrebt hatte: Die Firma kann sich aussuchen, wen sie weiter bei der DLG beschäftigen will und wen nicht. Natürlich hat sie ein Interesse, die langjährige Qualifikation in dieser hochspezialisierten Putzarbeit zu behalten, will aber die „Unruhestifter“ loswerden und den Zusammenhalt der Belegschaft zerschlagen. Wer ein Angebot bekommt, zur DLG, also in die Leiharbeit zu wechseln, muss dies annehmen – oder muss ohne Abfindung gehen. Wen Klüh loswerden will, der bekommt eine bescheidene Abfindung von etwa einem Monatslohn pro Beschäftigungsjahr. Eingekreist von ihrer eigenen Gewerkschaft, dem gewerkschaftlichen Rechtsanwalt, dem Arbeitsrichter und ohne nennenswerte Unterstützung durch außerbetriebliche Kräfte, sahen sie schließlich keine andere Möglichkeit, als ihre eigene Selbstabschaffung zu unterschreiben. Schon jetzt scheint klar zu sein, dass keine und keiner aus dem Betriebsrat ein Weiterbeschäftigungsangebot erhalten wird.
Der Kampf bei Klüh und DLG wird weitergehen
Die KollegInnen, die jetzt zur DLG wechseln, werden aber nicht so schnell vergessen, was sie in den letzten fünf bis sechs Jahren gelernt haben: Dass es möglich ist, seine Rechte zu verteidigen; dass sich eine Belegschaft zusammenschließen kann, um sich gegen die Chefs zu wehren; dass die Macht der Unternehmer nicht grenzenlos ist. Bisher hat Klüh die Situation bei der DLG durch den Leiharbeiterstatus und einen gefügigen Betriebsrat unter Kontrolle halten können. Aber es zeigt sich auch gesamtgesellschaftlich, dass die endlose Ausweitung der Leiharbeit auf Grenzen stößt und sich auch hier Kämpfe entwickeln können. Und Klüh hat sein Spiel auch noch nicht völlig gewonnen, da rechtlich die Frage noch offen ist, ob es sich nicht doch um einen Betriebsübergang handelt. Dann müssten auch diejenigen bei der DLG weiterbeschäftigt werden, die jetzt aussortiert wurden. Viele KollegInnen haben gegen ihre Kündigung vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf Klage erhoben. Wir werden diese Prozesse sehr aufmerksam beobachten.

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