„Bildung und Arbeit, statt Isolation“

 

Wir haben PRO ASYL, einer unabhängigen Menschenrechtsorganisation, die sich seit mehr als 25 Jahren für die Rechte verfolgter Menschen in Deutschland und Europa einsetzt, einige Fragen zu der aktuellen Flüchtlingsdebatte gestellt.
Die Bundesregierung erwartet ca. 800000 Flüchtlinge. Was sind die Schätzungen von Pro Asyl?
Wir haben keine eigenen Schätzungen. Das Bundesinnenministerium (BMI) erwartet für dieses Jahr 800000 Asylanträge. Bis Ende Juli 2015 wurden 195.723 Asyl-Erstanträge gestellt. Die tatsächlichen Zugangszahlen liegen jedoch darüber. Im Juli erreichten nach Angaben des BMI 89.000 Flüchtlinge Deutschland, aufgrund von erheblichen Verzögerungen im Antragsverfahren wurden jedoch lediglich 34.000 Asylanträge registriert. Für August wird noch einmal mit einer Steigerung gerechnet. Ob sich die hohe Prognose am Ende bewahrheitet, bleibt jedoch abzuwarten.

Wie lange dauert die Asylantrags-Prozedur von der „Ankunft“ bis zum „Abschluss“?
In vielen Fällen registriert zunächst die Bundespolizei Flüchtlinge und leitet ein Strafverfahren wegen illegalen Grenzübertritts ein. Dann nehmen Landesbehörden das Asylersuchen entgegen und stellen eine Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender aus, die an das Bundesamt weitergeleitet wird. Erst dann erfolgt die Stellung eines Asylantrags. Durch den Entscheidungsrückstau beim Bundesamt kommt es zu weiteren erheblichen Verzögerungen. In vielen Fällen wird erst nach ein bis zwei Jahren entschieden. Mittlerweile wendet das Bundesamt die Prozedur der „Priorisierung“ an: Z.B. wurden im Dezember 2014 ca. 5.300 Fälle aus Syrien, 3.150 aus Serbien, 1.250 aus Mazedonien, 870 aus dem Irak und ca. 860 aus Bosnien, insgesamt etwa 11.400 Entscheidungen zu Herkunftsländern gefällt, bei denen die Asylantragsteller entweder als aus „sicheren Herkunftsländern“ kommende Personen im Schnellverfahren abgelehnt – oder wegen ihrer Herkunft aus einem besonders unsicheren Herkunftsland ebenso schnell ohne mündliche Anhörung anerkannt wurden.
Rechte Aufmärsche vor Flüchtlingsunterkünften sind nicht nur in Heidenau der Fall. Können Sie einen Überblick darüber geben?
Die Zahl rechter Straftaten gegen Flüchtlingsunterkünfte im Jahr 2014 hat sich mit 170 gegenüber dem Vorjahr mehr als verdreifacht. 2013 waren es laut Verfassungsschutz 55. Auch im ersten Halbjahr 2015 (Stand 28.6.2015) gab es laut Bundesinnenministerium bereits 150 gegen Flüchtlingsunterkünfte gerichtete Straftaten, zu denen Sachbeschädigungen und Propagandadelikte wie das Zeigen des Hitlergrußes zählen. Die Statistiken für 2015 können nur schwer aktuell gehalten werden, da sich jeden Tag neue Anschläge ereignen. Bis zum 31. August sind folgende Straftaten registriert worden: Angriff auf Unterkunft: 292, davon Brandanschlag: 39, davon sonstige Angriffe auf Unterkünfte (Stein-/Böllerwürfe, Schüsse, Randale, rechte Schmierereien etc.): 253; Tätlicher Übergriff (mit Körperverletzung): 76, dabei Körperverletzte: 103 und zuletzt flüchtlingsfeindliche Kundgebungen/Demo: 142
Welche Forderungen stellen Sie, um eine schnelle Integration und das Erlernen der Kultur/Sprache zu gewährleisten?
PRO ASYL fordert, dass Bund und Länder ein umfassendes Integrations- und Aufnahmekonzept vereinbaren. Es muss verhindert werden, dass zehntausende Menschen über Jahre hinweg in Großunterkünften und Containerlagern isoliert und am Zugang zu Bildung und Arbeit gehindert werden. Es muss Geld investiert werden in Sprachkurse, in kommunale Wohnungsbauprogramme, nicht nur für Flüchtlinge, sondern generell für Menschen mit geringem Einkommen, in Hilfestellungen bei der Suche nach einem Arbeitsplatz sowie in Bildungsmaßnahmen für junge Flüchtlinge.

Detaillierte Post auf Yeni Hayat – Neues Leben » Deutsch

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