„Die realen Probleme der Studierenden in die Hochschulpolitik tragen“
„Die realen Probleme der Studierenden in die Hochschulpolitik tragen“
Sedat Kaya
Im Januar 2022 finden die Wahlen zum Studierendenparlament an der Universität Hamburg statt. Über 42 Tausend Studierende sind dazu aufgerufen, ihre Stimme abzugeben und ihre Vertreter zu wählen, die sich für ihre Belange einsetzen sollen. Seit einigen Monaten ist auch die Studierendeninitiative an der Universität Hamburg aktiv. Wir haben mit Paul Gallenkemper (Student der Psychologie, 21 Jahre) und Lara Sommer (Studentin der Soziologie, 22 Jahre) gesprochen, um über die Arbeit der Studierendeninitiative und ihre Vorbereitungen für die Wahlen zum Studierendenparlament zu sprechen. Die Antworten erfolgten im Gespräch und ergänzten sich und werden deswegen nicht einer einzelnen Person zugeordnet.
Wir haben in unserer Zeitung bereits über die Situation der Studierenden in der Pandemie berichtet. Welche Entwicklungen waren es, die euch dazu bewogen haben, die Arbeit als Studierendeninitiative aufzunehmen?
Momentan bewegt sich vieles an der Uni. Nach drei Semestern Isolation besteht ein unglaublicher Austauschbedarf, über Inhalte, übereinander, aber vor Allem über die Mängel der Lehre. Unter der Pandemie haben wir finanziell und psychisch gelitten, die Lehre war teilweise echt miserabel. Jetzt wieder hier zu sein, ist für alle eine Erleichterung, doch die Zurückstellung auf Online-Lehre und der inkonsequente und intransparente Umgang mit der Pandemie ist allen ein Dorn im Auge. Es haben sich unabhängige kleinere Arbeitsgruppe gebildet, die u.a einen Brief an den Dekan verfasst haben, um sich für einen vernünftigen Umgang mit der Pandemie und das Ermöglichen von Präsenzlehre einzusetzen. Zudem fanden dieses Semester zum ersten Mal im Rahmen der Arbeitskämpfe von TVStud Streiks an der Uni Hamburg statt. Die Arbeitsbedingungen der studentischen Beschäftigten sind schon immer miserabel, prekär und unterbezahlt. Arbeitsverträge sind stark befristet, es müssen massiv Überstunden geleistet werden, kurz: die Arbeit an der Uni ist eher wie ein Ehrenamt als ein Job, durch den man das Studium finanzieren kann. Wenn man es sich leisten können muss, ein Tutorium zu geben oder wenn die Tutoren selbst überarbeitet sind, leidet auch die Lehre. Wir bringen diese beiden Kämpfe in unserer Arbeit immer wieder zusammen. Gleichzeitig waren es Entwicklungen innerhalb der initiierenden Vereine der DIDF Jugend und des IJV, die es uns überhaupt ermöglicht haben, unsere Arbeit an die Uni zu tragen. Gerade deshalb bin ich sehr dankbar, dass wir in unserer Arbeit an der Uni direkt vor die spannende Aufgabe gestellt werden, einen Kampf für bessere Studienbedingungen mit dem Arbeitskampf der TVStud zu vereinen.
Die Universität Hamburg ist eine der größten Universitäten in Deutschland. Die Probleme von über 42 Tausend Studierende sind vielfältig. Woran arbeitet ihr aktuell als Studierendeninitiative? Wo liegen eure Schwerpunkte? Wie ist die Resonanz bei den Studierenden?
Aktuell arbeiten wir daran, uns als neue Hochschulgruppe zurechtzufinden und mehr in den Austausch mit den Studierenden und ihren Anliegen zu kommen und dabei unsere Forderungen auszuformulieren, stetig zu erweitern, aktualisieren und zu konkretisieren. Es steht vieles an wie z. B. der erneute Wechsel von der begrenzten Präsenzmöglichkeit wieder auf übergreifend Online-Lehre. Die Pandemie stößt uns als Studierende wieder vor Ungewissheit über unser Studium und die Zukunft. Dabei wird vom Präsidium die Kommunikation nur einseitig von oben nach unten geleistet. In einen richtigen Austausch kann man gar nicht kommen. Das wirft viele Fragen, Unsicherheiten und Unverständnis auf. Wir als Studierendeninitiative kritisieren diesen Umgang der Universität mit der Pandemie. Wir fordern vor allem die studentische Mitbestimmung und Transparenz des Präsidiums über ihre Entscheidungen in den Angelegenheiten, wie mit der Pandemie und Lehre umgegangen wird. Um diesen Forderungen Gehör zu verschaffen, haben wir als Hochschulgruppe einen direkten Brief an den Präsidenten formuliert und rufen derzeit zum Unterschreiben des Briefes auf. Dazu organisieren wir im Rahmen des offenen Briefes an den Präsidenten eine Veranstaltung, in der wir mit den Fachbereichen und studentischen Angestellten, vor allem Tutoren, sprechen und weitere Schritte organisieren wollen.
Da auch bald die Wahl des Studierendenparlaments beginnt, arbeiten wir tatkräftig daran, zu mobilisieren und den Wahlkampf zu organisieren. Das übergreifende Ziel unseres Engagements jedoch zeichnet den Kampf um bessere Arbeitsbedingungen und Studienbedingungen aus. Diese Kämpfe zu vereinen ist sehr wichtig, weshalb wir auch versuchen, in unseren Veranstaltungen die Arbeitenden an der Uni sprechen zu lassen. Beide Probleme, einerseits prekäre Arbeitsbedingungen, anderseits schlechte Studienbedingungen, haben beide die Unterfinanzierung der Universität oder generell der Bildung als Ursache. Deshalb müssen wir über die Universität hinaus auf die Sparpolitik des Senats, welche die finanziellen Möglichkeiten über Einstellung von Personal in den Händen hält und beschränkt, aufmerksam machen. Wir sehen die Wichtigkeit unsere Hochschulgruppe darin, dass wir mehr die realen Probleme der Studierenden und ihre Lebensbedingungen in die Hochschulpolitik tragen wollen. Durch die Bewegungen von TVStud und des Streikbündnisses an der Universität wird der Aufruf nach konkreten Änderungen, welche uns als Studierende direkt betreffen, immer deutlicher.
Welches Ziel verfolgt ihr damit, Vertreter in das Studierendenparlament zu schicken?
Als Hochschulgruppe wollen wir uns in der Studierendenschaft verankern und gemeinsam die Probleme angehen. Dafür müssen wir auch in den Gremien der Verfassten Studierendenschaft arbeiten und uns intensiver mit anderen Hochschulgruppen auseinandersetzen, um in Diskussion treten und um die Studierenden noch besser erreichen zu können. Vor allem an der Uni Hamburg kann die Arbeit im Studierendenparlament aber auch viele Ressourcen fressen und Nerven kosten, uns muss immer bewusst sein, dass die Arbeit dort kein Selbstzweck ist, sondern die Umsetzung der notwendigen Forderungen unterstützen soll. Im Endeffekt ist das StuPa aber eine Plattform, die wir nutzen müssen, um Studierende an unserer Universität in Bewegung zu bringen, uns noch fester unter den Studierenden zu verankern und die Kämpfe effektiver angehen zu können.
Wie laufen die Vorbereitungen für den Wahlkampf. Welche Aktivitäten sind geplant, wie wollt ihr die Studierenden für eure Forderungen gewinnen?
Der Erfolg, 30 Studierende in kurzer Zeit für unsere Kandidierendenliste zu gewinnen, hat uns als Hochschulgruppe nochmal signalisiert, dass unsere Forderungen Zustimmung und Anklang gefunden haben. Deshalb ist für uns der Wahlkampf umso wichtiger, immer mehr Studierende zu erreichen. Die aktuelle Lage mit den Weihnachtsferien und den steigenden Corona-Zahlen macht uns die direkte Arbeit auf dem Campus schwer. Trotzdem sitzen wir gerade eifrig daran, Flyer, Plakate und Social Media Beiträge vorzubereiten. Geplant wird das beflyern des Campus, posten von Beiträgen über Social Media und das Nutzen unserer Messenger Gruppen für die Mobilisierung. Unsere öffentlich beworbenen Aktiven-Treffen vor den Ferien haben wir genutzt, um immer wieder auf die Wahlen aufmerksam zu machen. Nun geht es in der nächsten Zeit darum, die Studierenden online und auf den Campus mit verschiedenen Materialien zu erreichen.
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