Studieren während einer Pandemie – ist das noch Uni?

Studieren während einer Pandemie – ist das noch Uni?

Dirim Su Derventli

Ein Virus, der sich erschreckend schnell global ausgeweitet hat, hat auch den Hochschulbetrieb lahmgelegt. Vor Augen geführt wurde, dass die strukturelle Aufstellung der Universitäten katastrophal ist. Die digitalen Infrastrukturen halten nicht die Vielzahl an ihren Online-Nutzern aus und eine adäquate Fachdidaktik, die im universitären Kontext zu erwarten wäre, ist online nahezu unmöglich. Doch soll es an dieser Stelle,  nicht um Unterfinanzierung und Verwahrlosung gehen, welche den Weg zur extremen Planlosigkeit der Universitäten während der Pandemie geebnet hat. Es soll die Situation der Studierenden selbst beschrieben werden, denn die ist das eigentliche Problem. Das Redaktionsnetzwerk Deutschland hat unter anderem veröffentlicht, dass 40% der Studierenden während der Pandemie ihren Job verloren haben. Als die Bundesregierung Mitte März Verordnungen für das öffentliche Leben erließ, waren es die Studierenden, die als erste ihre Jobs verloren. Nach und nach wurden sie von ihren Arbeitgebern gekündigt, da sie die billigsten Arbeitskräfte darstellen, die meist als Aushilfen und Minijobber angestellt sind.

22% Prozent der Studierenden geben an, dass sie ihre Miete nicht mehr zahlen können. Damla* lebt und studiert in Frankfurt, in der sie in einem winzigen Wohnheimzimmer mit weniger als 20qm etwa 400 Euro Miete und noch weitere Fixkosten zahlt. Während der Pandemie wurde ihr fristlos gekündigt: „Ja dann steht man erst mal da. Meine Eltern können mich nicht finanzieren, aber die Miete muss ich trotzdem irgendwie zahlen. Ich habe mit meinem Vermieter ausgemacht, dass ich einen Monat aussetze und dann für Juni doppelt zahle. Ich habe mir einen neuen Job suchen müssen. Der ist aber nur eine Notlösung und für eine Doppel-Miete reicht der Lohn auch nicht. Ich weiß noch nicht, wie ich das Ganze langfristig lösen soll.“


Auch Mara* kennt ähnliche Probleme. Sie arbeitet im AStA beim Servicepoint an der Frankfurt University of Applied Sciences und hat sich für ein kurzes Interview bereit erklärt.

Mara, welche Erfahrungen hast du während der Pandemie gemacht?
Im Rahmen der Pandemie habe ich zahllose Anrufe von Studierenden erhalten. Viele von ihnen waren finanziell an ihre Grenzen gestoßen, da sie ihre Jobs verloren haben oder auch wegen der Kinderbetreuung ihren Job nicht mehr ausüben konnten. Das Einkommen vorher hat häufig nur ganz knapp gereicht, um über die Runden zu kommen – somit lagen auch keine Ersparnisse vor. Viele der Anrufer waren wirklich so verzweifelt, weil sie nicht mehr wussten, wie sie die kommende Miete zahlen oder auch etwas zu Essen kaufen sollen… Wir vom AStA konnten da nur mit zinsfreien Darlehen aushelfen, die wenigstens was zu Essen auf den Tisch gebracht haben.

Wie stehst du denn zu den zinsfreien Darlehen?
Ich sehe diese als eine falsche Lösung an. Viele der Studierenden sind ohnehin schon stark verschuldet und sollten sich nicht noch mehr verschulden. Ich finde das ist ein absolut falsches Zeichen der Regierung. Hier kommen wir aber auch zum Punkt der Bildungsfreiheit, die in Deutschland ja herrschen soll. Die Bedingungen sind aber überhaupt nicht fair und ich sehe da auch keine Gleichberechtigung: Studierende aus einkommensschwächeren Haushalten können und sollten nicht auf ihre Eltern angewiesen sein. Gerade jetzt sind viele der Eltern auch in Kurzarbeit und haben geringeres Einkommen.

Gab es Probleme, als bekannt wurde, dass das Semester online stattfinden soll?
Ja. Dann wiederum ist eine Reihe ganz anderer Studierender an mich getreten, die ohne geeignete Ausstattung dastanden. Laptops oder Internetverbindungen fehlten bei manchen einfach komplett. Dadurch können die Studierenden weder an den Seminaren teilnehmen oder sich gar an ihnen aktiv beteiligen. Studierende mit Kindern waren da noch ganz anderen Herausforderungen ausgesetzt. Viele Studierenden saßen mit Kind auf dem Schoß, solange es diesen Spaß mitmachen wollte. Angemessene Studienbedingungen sehen da für mich anders aus.

Können unter diesen Bedingungen eigentlich noch ein gutes Studium absolviert und Prüfungen abgelegt werden?
Neben dem ganzen psychischen Stress, der gerade in der Zeit der härteren Beschränkungen anstand; da saßen viele Studierende in ihren winzigen Wohnheim-Zimmern gefangen, ohne soziale Kontakte oder jeglichen sozialen Ausgleich. Mit spielt immer noch die existenzielle Angst: Wie wird es finanziell weitergehen? Werde ich mein Studium noch in der Regelstudienzeit beenden können? Ich selbst habe mein Studium erst mit 29 beginnen können, um elternunabhängiges BAföG zu bekommen. Jetzt habe ich durch die Pandemie meine Praktikumsstelle verloren und auch die Ersatzstelle habe ich letzte Woche verloren. Mein Studium wird sich dadurch verlängern. Auch wenn ich mich glücklich schätze, überhaupt BAföG zu bekommen, hoffe ich, dass am Ende bei der Förderungshöchstdauer die Pandemie auch wirklich berücksichtigt wird.

*Namen geändert und der Redaktion bekannt

 

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