NSU-Prozess: Die Anklage lautet “Warum?“
Es begann am 9. September 2000. Der türkische Blumenhändler Enver Şimşek wird erschossen in seinem Lieferwagen aufgefunden. Niedergestreckt mit gezielten Kopfschüssen. Und es endete am 4. November 2011. Nach einem Bankraub in Eisenach werden die beiden Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt nach einem Selbstmord tot in ihrem Wohnwagen aufgefunden. Das letzte türkische Opfer war Halit Yozgat, der am 6. April 2006 in Kassel, im Internetcafé seines Vaters erschossen wurde.
Zwischen diesen beiden Tagen wurden zehn Menschen Opfer einer der schrecklichsten Serienmorde in der deutschen Geschichte. Sie waren ausländische Blumenhändler, Schneider, Obsthändler, Dönerbudenbetreiber… Väter, Söhne, Ehemänner. Eine der Ermordeten war eine deutsche Polizistin, das letzte, bekannte Mordopfer der NSU-Terrorzelle. Vor allem aber waren sie unschuldige, zufällig ausgewählte Menschen, die aufgrund ihrer Herkunft ausgewählt wurden. Unvorbereitet stand plötzlich jemand vor ihnen und erschoss sie. Einfach nur so. Jedes Mal mit der gleichen Waffe. Jedes Mal in den Kopf. Jedes Mal kaltblütig. Dazwischen erlebten die Hinterbliebenen der ermordeten Menschen unfassbares Leid, Verdächtigungen und Verachtung. Die Opfer wurden zu Tätern. Ihnen wurden kriminelle Machenschaften, mafiose Verbindungen und Betrug vorgeworfen. Ihre Familien wurden zu Verdächtigen. Ihnen wurde der Mord an ihren Liebsten unterstellt. Sie wurden abgehört, verhört und keiner hat ihnen zugehört.
Dieselben Mörder verübten zudem einen Nagelbombenanschlag in der Kölner Keuptstraße, wo viele türkische Händler und Geschäfte ansässig sind. Dabei wurden 22 Menschen verletzt. Es war nicht ihr erster Anschlag in Köln, sondern der zweite. Außerdem werden der Terrororganisation unzählige Raubüberfälle vorgeworfen. Mit dem erbeuteten Geld sollen sie ihr Leben im Untergrund finanziert haben.
Nun stehen die überlebenden Verantwortlichen dieser unfassbaren Taten vor dem Gericht. Den Menschen, die ihre Liebsten, ihre Familien und ihr Leben verloren haben geht es um Gerechtigkeit. Diese bekommen sie nicht durch ein Urteil, sondern durch Antworten auf die Frage: ”Warum?“ Warum gerade mein Mann, mein Vater, mein Sohn? Warum haben die Behörden die Verbindungen zwischen den Morden nicht gesehen? Warum haben sie einen rechtsextremen Hintergrund ausgeschlossen? Warum…
Beate Zschäpe, die einzige Überlebende des NSU-Terrortrios, könnte Antworten geben. Man geht davon aus, dass sie von der Planung über die Ausführung der Morde bis ins kleinste Detail informiert war. Sie gilt als Kopf des Trios. Obwohl sie zuerst reden wollte, wird sie wohl auf Anraten ihrer Anwälte schweigen.
Detaillierte Post auf SABAH AVRUPA – Die Türkische Tageszeitung.
Es kann doch keiner wirklich erwarten, dass Frau Zschäpe reumütig im Gerichtssaal sagt, warum gerade dieser oder jener ermordet wurde und nicht ein anderer. Die Morde waren schließlich keine Unfälle, sondern gezielt und kaltblütig ausgeführt. Frau Zschäpe wird nach wie bor der Überzeugung sein, dass sie für Deutschland und das deutsche Volk das richtige getan hat. Dass die Menschen, die der NSU ermordet hat, ebenfalls zum Teil zu eben diesem deutschen Volk gehört haben, wird ihr nicht beizubiegen sein. Und auch die Opfer, die nicht die deutsche Staatsangehörigkeit hatten, waren Teil dieser Gesellschaft. Aber das werden Menschen wie Frau Zschäpe leider niemals verstehen. Entsprechend erwarte ich von dem Prozess auch keine erhellenden Erkenntnisse über irgendwas. Es kann letzlich nur darum gehen, den Angeklagten ihre Schuld nachzuweisen und sie entsprechend zu verurteilen.
Könnten die Medien damit aufhören, von einem Terrortrio zu sprechen? Es ist doch wohl inzischen klar, dass wir es nicht mit einem Trio zu tun haben, sondern mit einer Organisation, die auch über eine Infrastruktur verfügt und Unterstützer in der rechten Szene hat. Der Begriff Trio redet das Problem herunter,