Brief an türkische Eltern sorgt für Aufregung!
Im Auftrag des Kultusministeriums in Baden-Württemberg haben die Schulen im Bundesland einen Brief bekommen, der für Aufregung unter den türkischen Eltern gesorgt hat. Der Brief mit dem Betreff: “Baden-Württemberg offizielle Landesschulstatistik“ erfragt, ob die Schüler doppelte Staatsangehörigkeiten haben und welche Sprache sie zu Hause sprechen.
Die Wurzeln der Schüler bekommen immer mehr Bedeutung, heißt es in dem Brief und: „Die Informationen werden geheim gehalten und nur für statistische Zwecke verwendet. Die ausgefüllten Blätter werden in den Akten der Schüler aufbewahrt. Die geplanten individuellen Schülerinformationen, die uns erreichen werden anonym an das Statistische Amt weitergeleitet.“
Der Sprecher des Kultusministeriums Christoph Schüly verteidigt gegenüber SABAH diesen Fragebogen. Es ist beschlossen worden festzustellen, wer einen Migrationshintergrund hat und wer nicht, so Schüly und: „Auf der Kultusminister Konferenz (KMK) wurde festgelegt, wer nach welchen Kriterien als Migrant gilt.“ Der Brief wurde auf Deutsch, Türkisch und Italienisch verfasst und verschickt, erklärt Schüly und betont: „Weil es mehrheitlich italienische und türkische Schüler gibt. Es gibt keine Diskriminierung einer Volksgruppe oder Nationalität.“ Als Migrant gilt, wer nicht die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, nicht in Deutschland geboren wurde und zuhause kein Deutsch spricht.
ERKLÄRUNG DES MINISTERIUMS
DAS Ministerium für Kultus, Jugend und Sport gab auf Anfrage der SABAH eine schriftliche Erklärung ab. Pressereferent Christoph Schüly betont in seiner Mail an SABAH, das das Merkmal “Migrationshintergrund der Schülerinnen und Schüler” auch Bestandteil des gemeinsamen Kerndatensatzes der Bundesländer ist. Das Statement im Wortlaut ist wie folgt:
“Nach Beschluss des Kultusministeriums und nach Anhörung der beratenden Gremien (Hauptpersonalräte, Landeselternbeirat, Landesschulbeirat, Landesschülerbeirat) wird im Rahmen der amtlichen Schulstatistik ab dem Schuljahr 2012/13 an allen öffentlichen allgemein bildenden und beruflichen Schulen der Migrationshintergrund der Schülerinnen und Schüler erhoben.
DIE Bestimmung des Migrationshintergrunds der Schülerinnen und Schüler wird nach der Definition der Kultusministerkonferenz (KMK) erfolgen. Demnach liegt ein Migrationshintergrund vor, wenn eines der folgenden Kriterien erfüllt ist:
• keine deutsche Staatsangehörigkeit (Ausländer);
• nicht deutsches Geburtsland;
• nicht deutsche Verkehrssprache in der Familie bzw. im häuslichen Umfeld.
Die Erhebung dieses Schülermerkmals wird differenziert nach Geschlecht und nach Klassenstufen (nur an allgemein bildenden Schulen) erfolgen. Zur Entlastung der Schulen wird künftig auf die Erhebung des Merkmals “Aussiedler” verzichtet.
Der Beschluss zur Erhebung des Migrationshintergrunds der Schülerschaft resultiert aus der Erkenntnis, dass für bildungspolitische Entscheidungen aussagekräftige Informationen über die Herkunft der Schülerinnen und Schüler von immer größerer Bedeutung sind. Bislang werden hierzu in der amtlichen Schulstatistik Baden-Württemberg nur die Merkmale “Staatsangehörigkeit” und “Aussiedler” erhoben. Diese Merkmale haben in den letzten Jahren immer mehr an Aussagekraft verloren, nachdem die Voraussetzungen zum Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Reformen des Staatsangehörigkeitsrechts neu geregelt worden waren. Seit dem 1. Januar 2000 erwerben in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern automatisch die deutsche Staatsbürgerschaft, sofern ein Elternteil mindestens seit acht Jahren seinen regelmäßigen Aufenthalt in Deutschland hat. In diesem Fall können die Kinder bis zur Volljährigkeit neben der deutschen auch eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzen. Spätestens bis zur Vollendung ihres 23. Lebensjahres müssen sich die betroffenen Personen aber für eine Staatsbürgerschaft entscheiden (sogenanntes Optionsmodell). Da in der amtlichen Statistik Schülerinnen und Schüler mit einer deutschen und einer nicht deutschen Staatsangehörigkeit als Deutsche gezählt werden, kann somit davon ausgegangen werden, dass durch die alleinige Verwendung der Staatsangehörigkeit eventuell mögliche Integrationsprobleme unterschätzt werden. Andererseits werden dadurch aber auch Bildungserfolge von Kindern und Jugendlichen mit doppelter Staatsangehörigkeit unterschätzt.
Das Merkmal „Migrationshintergrund der Schülerinnen und Schüler“ ist auch Bestandteil des gemeinsamen Kerndatensatzes der Bundesländer. Dieser wurde von der Kultusministerkonferenz beschlossen, um den gestiegenen Anforderungen an eine moderne bundesländerübergreifende Bildungsstatistik zu genügen. Der Kerndatensatz ist ein Datenkatalog, dessen Merkmale und Merkmalsdefinitionen zwischen den Bundesländern abgestimmt sind, um eine bundesweite Vergleichbarkeit der Daten zu gewährleisten. Mit der Erhebung dieses Merkmals wird Baden-Württemberg künftig in der Lage sein, entsprechende Daten für den Kerndatensatz zur Verfügung zu stellen.
Da für die Bestimmung des Migrationshintergrunds Informationen nötig sind, die sich teilweise der Kenntnis der Schule entziehen dürften, stellte das Kultusministerium den Schulen vor Beginn des Schuljahres 2012/13 einen Fragebogen an die Erziehungsberechtigten in deutscher, türkischer und italienischer Sprache sowie ein Dokument mit Bearbeitungshinweisen zur Verfügung. In dem Fragebogen werden die Erziehungsberechtigten neben der Angabe des Namens und der besuchten Klasse ihres Kindes um die Beantwortung der folgenden drei Fragen gebeten:
1. Besitzt die Schülerin/der Schüler die deutsche Staatsangehörigkeit?
2. Ist die Schülerin/der Schüler auf dem heutigen Gebiet der Bundesrepublik Deutschland geboren?
3. Welche Sprache sprechen Sie in Ihrer Familie bzw. im häuslichen Umfeld über-wiegend?
Zur Frage, warum der Fragebogen auch auf Türkisch vorgelegt wurde, lässt sich anmerken, dass die Übersetzung des Fragebogens als eine Serviceleistung des Kultusministeriums zu verstehen ist. Die Übersetzungen ins Türkische und Italienische wurden von den beiden Generalkonsulaten in Stuttgart vorgenommen. Von den Schulen gingen bislang am Kultusministerium mehrfach Rückmeldungen ein, wonach um Übersetzungen in andere Sprachen (Albanisch, Spanisch, Russisch, etc.) gebeten wurde. Die Entscheidung, den Fragebogen ins Türkische und Italienische zu übersetzen, gründete auf der Tatsache, dass laut amtlicher Schulstatistik Schüler mit ausschließlich türkischer und italienischer Staatsangehörigkeit unter den ausländischen Schülern die größte Schülergruppe darstellte. Eine wie auch immer geartete Diskriminierung einzelner Nationalitäten bzw. Bevölkerungsgruppen war und ist damit natürlich nicht verbunden.
Zur Frage, warum auf dem Fragebogen der Name angegeben werden muss, wo doch Anonymität zugesichert wurde, lässt sich Folgendes anmerken: Über den Namen und die ebenfalls anzugebende besuchte Klasse des Schülers kann die Schule die für die amtliche Schulstatistik erforderlichen Summendaten, differenziert nach Klassenstufen (nur an allgemein bildenden Schulen) und Geschlecht, bilden. Sowohl auf den Fragebögen an die Erziehungsberechtigten als auch auf den den Schulen zur Verfügung gestellten Bearbeitungshinweisen wurde darauf hingewiesen, dass die Angaben vertraulich behandelt und ausschließlich für statistische Zwecke erfasst werden und dass die Fragebögen bzw. die Einzeldaten nicht an Dritte weitergegeben, sondern in der Schülerakte abgelegt werden sollen. Damit ist gewährleistet, dass die Schule die Angaben in den kommenden Jahren bei der Erstellung der amtlichen Schulstatistik erneut verwenden kann, ohne eine jährliche Befragung aller Erziehungsberechtigten durchführen zu müssen, sofern sich der Schüler bzw. die Schülerin noch an der Schule befindet.”
Detaillierte Post auf SABAH AVRUPA – Die Türkische Tageszeitung.