„Maid“ – Eine Frau nimmt ihr Leben in ihre Hände
„Maid“ – Eine Frau nimmt ihr Leben in ihre Hände
Alev Bahadir
„Dienstmädchen“ ist die deutsche Übersetzung für das englische Wort „Maid“. So heißt eine aktuelle Netflix-Miniserie. In 10 Folgen greift die Serie den Kampf einer jungen Frau auf, die aus einer gewalttätigen Beziehung entflieht.
Die Serie eröffnet bereits mit einer mitreißenden Szene. Mitten in der Nacht greift sich die junge Alex ihren bereits gepackten Rucksack aus dem Wandschrank, trägt ihre schlafende zweijährige Tochter Maddie aus dem Trailer, in dem sie wohnen, heraus ins Auto. Dabei versucht sie möglichst wenig Lärm zu machen. Immer wieder tauchen Erinnerungsfetzen von ihrem schreienden Partner auf, der die Faust in die Wand rammt und mit Sachen nach Alex wirft. Sie startet den Wagen und fährt auf einem Waldweg davon. Ihr Freund Sean, der mittlerweile wach geworden ist, versucht noch sie aufzuhalten. Doch Alex ist entschlossen, sich und ihre Tochter in Sicherheit zu bringen. Unterwegs versucht sie vergeblich ihre Mutter zu erreichen. Daraufhin fährt sie zu einer Freundin. Sofort macht die „Freundin“ ihr klar, dass Sean bereits bei ihr angerufen habe und er es nicht so gemeint habe. Alex wird schnell klar, dass sämtliche Freunde eigentlich Freunde ihres Ex-Freundes sind und niemand sich für sie einsetzen wird. Nur mit 18 Dollar in der Tasche und ohne Unterkunft oder Job verbringen sie die Nacht im Auto. Am nächsten Tag versucht sie Sozialhilfe und eine Wohnung zu beantragen, was ohne Job nicht möglich ist. Als die Sozialarbeiterin Alex vorschlägt, Hilfe in einem Frauenhaus zu suchen, erklärt Alex, dass ihr Freund sie nie geschlagen habe. Was den Zuschauern und der Sozialarbeiterin sofort klar wird, möchte Alex zunächst nicht wahrhaben: sie erlebte immer schon psychische Gewalt durch ihren Partner und wurde kleingehalten. Das System ist aber so gestrickt, dass man nicht aus ihr heraus kommt. Ohne Arbeit keine Wohnung, ohne Wohnung keine Arbeit. So entscheidet sie sich doch für das Frauenhaus, damit sie zumindest eine Adresse angeben kann. Solche typischen Fallen des Systems werden im Laufe der Serie an vielen Stellen deutlich.
Wieviel kann ein Mensch aushalten? Wie einen Ausweg finden?
Alex beginnt als Reinigungskraft bei reichen Leuten zu arbeiten. Der Luxus dort steht im krassen Gegensatz zu ihrer Armut. Die 18 Dollar sind längst verbraucht, also kann sie sich noch nicht einmal etwas zu Essen kaufen. Als sie wegen Hunger in Ohnmacht fällt, weigert sich die vermögende Frau, bei der sie geputzt hat, sie zu bezahlen. Als dann noch ihr Wagen bei einem Unfall zum Totalschaden wird, verbringt Alex die Nacht mit ihrer kleinen Tochter auf dem Boden in einer Fährhalle. Ab diesem Zeitpunkt begleiten die Zuschauerinnen und Zuschauer eine junge Mutter, die versucht, sich aus einer gewalttätigen Beziehung zu befreien und ohne Geld ein neues Leben aufzubauen. Dabei erleben sie, genauso wie Alex, Momente des Glücks und der Hoffnung, ebenso wie Rückschläge und Verzweiflung.
Die zehnteilige Serie besticht durch ihre realistischen Charaktere. Neben Alex, deren erste Priorität die Sicherheit ihrer Tochter ist, die sich aber auch gleichzeitig nach einem selbstbestimmten Leben ohne Abhängigkeiten sehnt und versucht ihre eigenen Träume zu verwirklichen, sind da noch die unterschiedlichen Beziehungen, die sie hat. Einmal ihre Mutter, die psychisch krank ist und von einer gewalttätigen Beziehung in der nächsten landet, für die sich Alex verantwortlich fühlt. Dann ihr Vater, der längst eine neue Familie hat, selbst trockener Alkoholiker ist, in der Vergangenheit ebenfalls gewalttätig gegenüber Alex‘ Mutter war und eher Verständnis und Position für Sean ergreift, statt seiner Tochter zu helfen. Und natürlich die Beziehung zu Sean, der nicht als „der Bösewicht“ dargestellt wird, sondern selbst aus einem zerrütteten Elternhaus kommt und Alkoholabhängig ist. Doch nichtsdestotrotz treibt Sean Alex in eine komplette Abhängigkeit von sich, indem er ihren Wünschen, einen Job zu finden und studieren zu gehen, entgegensteht, indem sie zu Beginn der Serie keinen eigenen Freundeskreis hat, sondern nur mit seinen Freunden zu tun hat, der gerichtlich gegen sie vorgeht und das Sorgerecht für seine Tochter einklagt und natürlich indem er sie emotional missbraucht.
Ökonomische Abhängigkeit- Gewalt- Solidarität
Alex‘ Weg ist kein leichter, denn sie kämpft gegen die bürokratischen Hürden, die ihr im Weg stehen, um ein neues Leben aufzubauen. Seien es die vielen Anforderungen, denen sie gerecht werden muss, um eine eigene Wohnung zu bekommen oder die finanzielle Notlage, weil sie teilweise die Gebühren für einen KiTa-Platz selbst aufbringen muss, der notwendig ist, damit sie Geld verdienen kann. Während der gesamten Serie wird immer wieder Alex‘ gefährlich niedriger Kontostand eingeblendet. Wenn sie sich dafür entscheidet, ihrer Tochter den Ersatz für eine geliebte Puppe zu kaufen, sieht die Zuschauerin bildlich, dass kein Geld für Essen für Alex mehr da ist. Diese junge Frau steht für die vielen Probleme, der sich eine Frau ohne Geld stellen muss, wenn sie sich aus einer gewalttätigen Beziehung befreit. Die ökonomische Abhängigkeit spielt in der Serie ebenso eine große Rolle, wie die Gewalt, die sie im Laufe ihres ganzen Lebens immer wieder erleben musste.
Doch ebenso ist die Solidarität zwischen Frauen ein Thema. Denn Alex bekommt in den schwierigsten Zeiten Hilfe von anderen Frauen. Sei es durch die Leitung im Frauenhaus, von einer Mitbewohnerin in dem Haus, die ebenfalls Gewalt erfahren hat oder durch die Frau, deren Haus sie reinigt, die, obwohl sie am Anfang gnadenlos und empathieunfähig wirkt, später eine wichtige Verbündete im Kampf um das Sorgerecht für Maddie wird. „Maid“ ist keinesfalls eine leichte Kost für fröhliche Abende, doch fiebern wir bis zur letzten Minute mit, ob sie – und so viele andere Frauen auch – es schaffen werden.
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