Jahrhundertprozess im Blick!

Am 17. April beginnt in München der Prozess gegen die NSU, der auch als Jahrhundertprozess bezeichnet wird. Lassen Sie uns zurückblicken. Die NSU, deren Anführer Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt (beide starben durch Suizid) und Beate Zschäpe  waren, beging ihren ersten Mord am 9. September 2000 an Enver Şimşek. Die Opfer der Morde mit einer Waffe der Marke Ceska waren Abdürrahim Özüdoğru (13. Juni 2001, Nürnberg), Süleyman Taşköprü (27. Juni 2001, Hamburg), Habil Kılıç (29. August 2001, München), Mehmet Turgut (25. Februar 2005, München), Ismail Yaşar (9. Juni 2005, Nürnberg), Tehordoros Boulgarides (15. Juni 2005, München), Mehmet Kubaşık (4. April 2006, Dortmund), Halit Yozgat (6. April 2006, Kassel) und Michele Kiesewetter (25. April 2007, Heilbronn). Das Terror-Trio hat zudem bei einem Nagelbombenanschlag in der Kölner Keupstraße 22 Menschen verletzt.

Zelle fliegt auf!

Die NSU Terrororganisation flog am 4. November 2011 auf. Als die Polizei ihnen nach einem Raubüberfall auf die Schliche kam, begangen Böhnhard und Mundlos Selbstmord. Beate Zschäpe stellte sich am 8. November 2011 der Polizei. Die Skandale kamen ab dann nach und nach zum Vorschein. Nach den letzten Fakten gibt es 126 Personen, die die Organisation unterstützt haben. Einige davon sind V-Leute in unterschiedlichen Ermittlungsbehörden. Die Zelle, die in den 90er Jahren die Aufmerksamkeit der Polizei und des Verfassungsschutzes auf sich gezogen hat, hat in ganz Deutschland 11 Jahre lang ungehindert Menschen ermordet, Raubüberfälle begangen, Bomben gelegt und die Beziehungen zu Freunden aufrecht gehalten, die von den Ermittlungsbehörden beobachtet wurden.

Die Phase der Schande

Der Verdacht, dass die Morde aus rassistischen Motiven begangen wurden, wurde von den Ermittlungsbehörden nicht ernst genommen, bis die Zelle aufflog. Nach dem Anschlag in der Kölner Keupstraße hat der damalige Innenminister Otto Schily erklärt, dass der Vorfall keine Verbindung mit rechtsextremem Terror habe. Die Polizei nannte die Ermittlungseinheit für die Ceska Morde ”Bosporus“, die Medien betitelten diese Taten mit der Bezeichnung “Dönermorde“. Der Gedanke, dass hinter den Morden die Mafia oder eine Abrechnung innerhalb der Familie steckt, wurde dem öffentlichen Verständnis bewusst geimpft. Die Opferfamilien haben jahrelang mit Verdächtigungen und Verfahren ein unglaubliches Martyrium erlebt. Es war fast verboten in der Öffentlichkeit zu sagen, dass hinter den Morden eine rassistische Realität stecken könnte.

Zeit für Gerechtigkeit

Wir haben unzählige Nachrichten über die Morde der NSU-Zelle, über die Struktur der Terrororganisation, über ihre Beziehungen gebracht. Es ist nicht möglich, die Skandale hier noch einmal aufzuzählen. In dieser Zeit wurde das Vertrauen der Menschen in die Ermittlungsbehörden erschüttert. Die Opfer der Morde wurden kollektiv wie Täter behandelt. Die Informationen über die NSU in der Öffentlichkeit haben neben ihren möglichen institutionellen Verbindungen das Gewissen des Gemeinwesen verletzt. Die Augen sind nun auf das Gericht gerichtet. Der Jahrhundertprozess wird verhandelt. Natürlich wird dies dauern. Aber am Ende des Prozesses darf keine Frage unbeantwortet bleiben. Gerechtigkeit ist das einzige, was die erlebten Schmerzen lindern kann…

Mikdat Karaalioğlu,

Chefredakteur SABAH Europa

Detaillierte Post auf SABAH AVRUPA – Die Türkische Tageszeitung.

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *