Gespräche mit Öcalan: Hält der Dialogprozess?
Die Debatte über die laufenden Gespräche zwischen den Vertretern des türkischen Staates einerseits und dem auf der Gefängnisinsel Imrali einsitzenden PKK-Führers Abdullah Öcalan andererseits beherrscht seit Jahresbeginn die politische Agenda in der Türkei. Sie begann mit der Bemerkung des Ministerpräsidenten Erdogan, der in einem TV-Interview von Gesprächen des türkischen Geheimdienstes mit Öcalan berichtete. Diese wurden zunächst von seinen engsten Beratern und weiteren Kabinettsmitgliedern bestätigt. Wenige Tage später besuchten die beiden kurdischen Parlamentsabgeordneten Ahmet Türk und Ayla Akat den PKK-Führer auf Imrali. Diese sich überschlagenden Ereignisse liessen Hoffnung auf ein baldiges Ende des seit Jahrzehnten andauernden Krieges in den kurdischen Gebieten und auf eine friedliche Lösung der kurdischen Frage aufkeimen.
Die Reaktionen nach dem Bekanntwerden der Gespräche mit Öcalan machen indessen deutlich, welche Haltung die verschiedenen Parteien in der nächsten Zeit einnehmen werden. Zunächst einige Anmerkungen zur Regierungspartei AKP: Sie legt den allergrößten Wert auf die Feststellung, dass die Gespräche einzig und allein das Ziel haben, die PKK zur Waffenniederlegung und ihre Mitglieder zum Verlassen der türkischen Staatsgrenzen zu zwingen. Dieses Ziel der „Liquidierung der PKK“ auf dem Wege der Verhandlungen mit Öcalan zeigt, dass die AKP-Regierung auf der traditionellen-offiziellen Linie zur Verteidigung der „unitären Staatsstruktur“ beharrt. Demnach sollen Öcalan und die im türkischen Parlament mit rund drei Dutzend Abgeordneten vertretene Partei für Frieden und Demokratie (BDP) dafür gewonnen werden, die PKK und ihren bewaffneten Kampf zu liquidieren. Sollte dieses Maximalziel nicht erreicht werden, soll wenigstens ein Keil zwischen die PKK einerseits und Öcalan bzw. BDP andererseits geschoben werden. Diese Ziele stellen jedoch eines der größten Hindernisse vor einem erfolgreichen Abschluß der begonnenen Gespräche.
Diese wurden auch 2009 verfolgt, als die offizielle Politik in der kurdischen Frage mit der so genannten „kurdischen Öffnung“ angeblich neu ausgerichtet wurde. Dieser später als „Projekt für Nationale Einheit“ umbenannte Prozess, versandete ohne Fortschritte und mit der Fortsetzung des Krieges. Anzumerken ist hier auch, dass weder dieser verstärkte Krieg, noch die Verhaftung von mehreren Tausend kurdischen Politikern die kurdische Freiheitsbewegung zurückdrängen konnte.
Nach Ansicht der BDP, die in dem aktuellen Prozess eine wichtige Rolle spielt, wurde mit den eingeleiteten Gesprächen die Tür zur demokratischen und friedlichen Lösung der kurdischen Frage einen Spalt weit aufgetan. Sie sei bereit, ihren Beitrag dazu zu leisten, damit diese Chance nicht vertan wird und die begonnenen Gespräche zu einem Verhandlungsprozess ausgebaut werden. […]
Mehmet Çallı
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