“ES MUSS HELFER GEBEN”

Der frühere Bayrische Innenminister Dr. Günther Beckstein, sagte im Interview mit unserer Zeitung, dass er davon ausgeht, dass die NSU in Nürnberg Unterstützer hatte. Im Interview mit dem Chefredakteur der SABAH Europa Mikdat Karaalioğlu sagte Beckstein, “Ich habe keine Beweise, aber mein Bauchgefühl sagt, dass es Unterstützer bzw. Mittäter in Nürnberg geben muss.”

Doktor Beckstein, vielen Dank, dass Sie sich Zeit für uns genommen haben. Was können Sie über den NSU-Prozess bis dato sagen?

Ich kenne den NSU-Prozess natürlich nur aus den Medien. Denn ich bin nicht mehr Innenminister und selbst wenn ich noch Innenminister wäre, würde ich nicht im Prozess sein. Der Prozess wird geführt von der Generalbundesanwalt gegen die Angeklagten.

Wie gesagt, liegen 32 Verhandlungstage hinter uns. Wie beurteilen Sie den bisherigen Verlauf?

Meine größte Hoffnung ist, dass im Prozess das Sachverhalt vollständig geklärt wird und die Beschuldigten dann auch wegen der ihnen zu Last gelegten Taten wie Bildung einer terroristischen Organisation und bei Zschäpe wegen der Mittäterschaft bei den Morden an den Türken, dem Griechen und der Polizistin verurteilt werden. Damit eine möglichst vollständige Aufklärung der NSU-Mordserie erfolgt, was meiner Meinung nach bisher nicht geschehen ist.

In ihrer letzten Rede im bayrischen Landtag haben Sie gesagt, dass immer noch NSU-Helfer in Nürnberg frei rumlaufen. Können Sie das näher erläutern?

Ich habe im Landtag gesagt, zwar habe ich keine Beweise, aber mein Bauchgefühl sagt, dass es Unterstützer bzw. Mittäter in Nürnberg geben muss. Ich schließe das aus den folgenden Fakten: Es sind Tatorte gewählt, die man als Auswärtiger nicht ohne weiteres finden würde. Der Blumenhändler, die Dönerbude und der Schneider waren nicht an Orten, auf die man gleich zukommt, wenn man von der Autobahn abfährt. Die waren zum Teil an versteckten Orten. Das Zweite ist: Dass ein Ausweis eines Tennisclubs verwendet worden ist, zwar ein gefälschtes, bei Großgründlach. Das ist ein kleiner Tennisclub in meinem Stimmkreis, das nicht einmal ich gekannt habe, obwohl ich dort jede Woche bin. Um eine bürgerliche Story zu haben, hat man einen gefälschten Ausweis gehabt. Und eines der Bekennervideos, nach dem das Haus, wo Beate Zschäpe gewohnt hat, in die Luft gegangen ist, ist bei den Nürnberger Nachrichten im Briefkasten eingegangen, ohne dass die Post es zugestellt hat. Das muss jemand selber körperlich eingeworfen haben. Nach meiner Einschätzung ist es auch weniger wahrscheinlich, dass drei Morde hier erfolgen, ohne dass irgendeine Verbindung hierher besteht. Es war ja auch ein vierter Anschlag mit der Taschenlampe hier. Deshalb habe ich auch im Rahmen des Ermittlungsverfahrens immer wieder gesagt, dass es eine oder mehrere Bezugspersonen hier geben.

Die öffentliche Kritik an den Sicherheitsorganen, dass die Terroristen nicht gefunden wurden, ist sehr groß. Wie ist ihre persönliche Erklärung, dafür dass die Ermittlungsbehörden einen solchen Maß an Terrorismus nicht aufklären konnten?

Ich habe dazu erklärt, dass es eine große Niederlage des Rechtsstaats war, dass die Täter nicht gefunden worden sind, obwohl es das größte Ermittlungsverfahren in Bayern war. Wir hatten zeitweise 180 Polizeibeamten im Einsatz. Es war das erste Mal, dass türkische Polizisten in eine Ermittlungsgruppe aufgenommen worden sind. Wir haben die höchste Belohnung ausgesprochen, die jemals ausgesprochen wurde ist: 300.000 Euro. Wir haben Millionen von Daten ausgewertet. Von Handys in der Nähe der Tatorte. Zigtausende von Videoaufnahmen von Kameras, Verkehrsüberwachungskameras,
Geldautomatenkameras oder auch den Kameras an Tankstellen. Das hat aber alles zu keinem Ergebnis geführt. Es war eine Niederlage. Das besondere ist, dass es keinerlei Tatortspuren gegeben hat. Weder Fußabdrücke noch DNA-Spuren. Es hat als einziges gegeben die Geschosse, die im Körper der
Ermordeten waren. Nicht einmal die Hülsen der Geschosse sind am Tatort aufgefunden worden, weil aus einer Tasche heraus geschossen wurde. Es wurde kein Geld mitgenommen. Das war die große Besonderheit dieses Falles, so dass im Nachhinein und jetzt immer noch sage: Wo wären die Schlüssel gewesen, um die Morde aufzuklären? Was aber eindeutig ist, man hätte von Anfang an verhindern können, dass die Mörder frei rumlaufen. Denn damals lief ein Ermittlungsverfahren gegen die wegen Hantierens mit Sprengstoff. Aber da sind sie untergetaucht und nicht gefunden wurden. Das ist ein Fehler der Datenschutzregelungen, dass nach fünf Jahren alle Daten gelöscht werden, auch wenn die Täter nicht gefangen worden sind.

Wenn ich Sie nicht falsch verstanden habe, sehen Sie die Fehler in unglücklichen Umständen. Haben die Ermittlungsbehörden nichts falsch gemacht?

Wie bei jeder Arbeit, an der 180 Leute jahrelang beteiligt sind, hat es Dinge gegeben, wo man sagt, das ist nicht gut gelaufen. Auch bei der Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Behörden gibt es viele Fragezeichen. Aber keiner diese
Probleme war entscheidet dafür, dass man sagt, wenn das anders gelaufen wäre, dann hätte man die Täter gefunden. Zum Beispiel wollte die Nürnberger Polizei die Rechtsextremisten vom Verfassungsschutz gemeldet haben und es hat mehrere Monate gedauert. Das ist natürlich alles andere als
zufriedenstellend, in einem Fall, wo es um viele Morde geht. Allerdings muss man sagen, nachdem die Namen genannt worden sind, ist überprüft worden und es hat nicht weitergeführt, weil die Betreffenden nicht in der Datei aufgeführt
waren. Es gibt natürlich eine Reihe von Fehlern, aber es gibt nicht den entscheidenden Fehler, wo man sagen kann: Hätte man das richtig gemacht, hätte man die Täter. Eine Zeugin hat nach dem Nagelbombenanschlag gesagt, dass die Täter die gleichen waren wie in Nürnberg. Die Polizei hat diese Aussage im Protokoll abgeschwächt und die Frau hat die abgeschwächte Version unterschrieben. Vor allem hat man die Öffentlichkeitsfahndung nach den Tätern im Fernsehen durchgeführt und es hat trotzdem nichts gebracht. Natürlich hat es eine Serie von Fehlern gegeben, aber es gab keinen Fehler, wo man heute sagt: Hätten wir das richtig gemacht, hätten wir die Täter hinter Schloss und Riegel gebracht. Es gibt kein perfektes Verbrechen. Es muss noch etwas kommen, wo man sagt, das hätten wir erkennen müssen.

Sie sind einer der prominentesten Politiker in der türkischen Community. Die NSU-Ereignisse hat das Vertrauen der türkischen Menschen in die Sicherheitsorgane geschwächt. Was können Sie an diese Menschen appellieren?

Bevor bekannt geworden ist, dass es die NSU war, hatten wir ja acht unbekannte Morde. Ich habe mehrfach in Pressekonferenzen, auch mit türkischen Medien, darauf hingewiesen, dass es mich belastet, dass wir die Täter nicht haben. Ich habe mehrfach im Kontakt mit Türken in Nürnberg gesagt, dass wir im gesamten Umfeld der Opfer ermitteln. Die Opfer nichts dafür können, dass sie ermordet worden sind. Es war nicht so, dass sie Drogenhändler oder Schutzgelderpresser waren. Das ist alles sorgfältig
ermittelt worden und es gab keine Spur. Ich habe schon damals, als wir ermittelt haben und nicht bekannt war, dass es die NSU war, wo Mundlos und Böhnhardt sich noch nicht umgebracht und Zschäpe noch nicht bekannt war, hatten ich den Kontakt mit der Community gesucht und gesagt, dass wir alles tun, was wir nur können. Ich habe darauf hingewiesen, dass wir türkische Polizeibeamte in den Ermittlungsgruppen haben, damit nichts unterbreitet wird, weil es Türken sind. Ich habe mit verschiedenen Generalkonsuls hier in Nürnberg immer wieder engen Kontakt gehabt. Wir haben versucht die Fragen der türkischen Community zu beantworten. Heute kann ich sagen, dass nicht zuletzt wegen den Diskussionen um den NSU ein großer Ruck durch die deutsche Gesellschaft gegangen ist, dass es keinen Rassismus geben darf. Dass dieses Verbrechen von Mundlos und Böhnhard, Menschen nur deshalb umzubringen weil sie Türken sind, oder wie ein Türke aussieht, eine Tat ist, die man sich schlimmer nicht vorstellen kann. Wir nehmen alle Anstrengungen auf uns, damit sich auch türkische Menschen hier sicher fühlen. Ich glaube ich war der erste Minister in Deutschland, der türkischstämmige Menschen bei der Polizei aufgenommen hat, die nicht Deutsche Staatsbürger waren. Ich habe als Minister Ausnahmegenehmigungen erteilt. Damit wollen wir deutlich machen, dass wir alles unternehmen, damit auch Türken oder auch Türkischstämmige auch Vertrauen daran haben können, dass sie sicher in Deutschland leben können. Es gab neben dem NSU natürlich auch andere schwere Übergriffe auf
Türken, aber ich habe immer die Zahlen rausgeholt, dass Türken in Bayern sicherer leben können als woanders in Deutschland. Ich behaupte auch, dass sie in Deutschland sicherer leben als in der Türkei. Ich will die Straftaten
nicht geringschätzen, aber ich möchte deutlich machen, wir wollen, dass ein Türke sagen kann: Ich lebe sicher in Nürnberg. Ich lebe sicher in München. Ich habe keine Angst, dass ich Opfer einer Straftat werde. Und wenn er Opfer
einer Straftat wird, würden wir mit jeder Intensität nach den Tätern suchen.
Noch einmal: Dass wir die größte Ermittlungsgruppe mit 180 Beamten eingerichtet haben, ist ein Zeichen, wie groß wir die Bedeutung eingeschätzt haben. Wir wollten unter allen Umständen diese Täter. Nach dem die Spuren abgearbeitet waren, die Ermittler nicht mehr wussten, wo sie noch suchen
sollten, haben wir die gesamten Büros der 180 Leute aufrecht gehalten. Wäre es zu weiterem Straftaten gekommen, hätte man die Büros sofort wieder nutzen können.

Hat es Sie geärgert, dass Sie sich so viel Mühe gegeben haben und trotzdem nicht weitergekommen sind?

Ich habe das Bild gebraucht. Dass ist so, wie wenn ein sehr guter Arzt einen Patienten operiert, meint alles nach bestem Wissen und Gewissen gemacht zu haben und der Patient stirbt trotzdem. So ist auch die schwere Niederlage des Rechtsstaats.

Das ist eine deutliche Botschaft an die türkische Community. Ich würde gerne an die Bundestagswahl erinnern. Man spricht von einem gestiegenen Desinteresse der Wähler. Ist dies auch für Sie erkennbar?

Der Wahlkampf ist im Moment sehr schläfrig. Das hängt zum einem auch am Wetter. Die Menschen gehen lieber in ein Schwimmbad als zu einer politischen Veranstaltung. Ich hoffe, dass es im September zu einem größeren Interesse kommt. Die Wahlbeteiligung wird höher, wenn die Gegensätze größer sind. Aber in wichtigen Fragen gibt es keine großen Gegensätze wie man mit der europäischen Schuldenkrise fertig wird, bei der Bekämpfung von Rechtsterrorismus sehe ich keine großen Unterschiede. Es gibt nicht die ganz großen Gegensätze. Aber vor dem 22. September und in Bayern vor dem 15. September wird das Interesse zunehmen. Ich hoffe sehr, dass nicht nur die deutschstämmigen, sondern auch die türkischstämmigen zur Wahl gehen.

Die Landtagswahl in Bayern ist interessanter als die Bundestagswahl. In ihrem damaligen Stimmkreis gibt es einen Kampf zwischen der CSU und der SPD. Man geht davon aus, dass ein Abgeordneter mit türkischer Herkunft in den Landtag einziehen wird. Sehen Sie es auch so?

Es handelt sich um einen bekannten Nürnberger Stadtrat. Aber der Kandidat, den wir ins Rennen schicken, ist auch ein sehr bekannter Stadtrat. Er ist Vorsitzender der Bauern- und Gemüseerzeuger. Da haben wir einen sehr starken Mann ins Feld geführt. Ich weiß nicht, ob es in der Türkei auch einen
Bauernverband gibt, aber die Landwirte sind eine mächtige Institution. Haben viel mehr Bedeutung als nur ihren Beruf, da hängen Geschäftsleute dran, die Obst und Gemüse verkaufen. Beispielsweise wird das Kirchweih-Fest, das bei uns eine große Bedeutung hat, von den jungen Landwirten gemacht. Es wird eine spannende Frage. Zumal der Wahlkreis nur knappe Unterschiede hat. Ich habe ihn zwar regelmäßig gewonnen, bis auf das eine mal, als Renate Schmidt
kandidiert hat. Es werden deswegen spannende Wahlkreise sein, weil sie umstritten sind.

Bedauern Sie immer noch den Rücktritt von Tobias Schmidt?

Ich habe den Tobi Schmidt sehr geschätzt. Als jüngerer Mann hat er den Arbeitskreis Integration sehr erfolgreich geführt. Ich bin immer noch mit ihm befreundet. Seine Frau hat ihn vor die Wahl gestellt, entweder Politik oder Familie. Ich kann seine Entscheidung nachfühlen. Mit zeigt es aber auch, wie sehr ich dankbar meiner Frau sein muss, dass sie 20 Jahre Mitglied einer Regierung und 39 Jahre Mitglied eines Landtages ausgehalten hat. Sie war
weitgehend alleinerziehend.

Sie haben gesagt, dass im Wahlkampf Gegensätze Interesse erwecken und wir dieses Jahr einen relativ langweiligen Wahlkampf haben. Welche gegensätzliche Punkte würden Sie ihrer Partei empfehlen?

Offen gestanden sehe ich das so, dass sowohl die Regierung in Berlin als auch in München eine gute Arbeit macht, die in der Sache wenig umstritten ist. Wir haben in Bayern die niedrigste Arbeitslosenzahlen, die niedrigste Kriminalitätsrate, im Bildungssystem haben wir mit Abstand die besten Ergebnisse. Wenn die Pisaergebnisse veröffentlich werden, sind die bayrischen Schüler mit Abstand die besten. Auch Kinder mit Migrationshintergrund haben bei uns besser Bildungschancen als zum Beispiel in Berlin oder Nordrhein-Westfalen. Allerdings ist der Abstand zwischen den Deutschen Schülern und den Schülern mit Migrationshintergrund immer noch sehr groß. Daran müssen wir, Lehrer und auch Eltern, arbeiten. Was noch nicht recht funktioniert ist, dass wir Strom nicht mehr mit Kraftwerken, Öl oder Kohle herstellen wollen, sondern mit Wind und Sonne. Weil Sonne und Wind sehr unregelmäßig sind und es noch keine Möglichkeit gibt, den Strom zu speichern. Ich habe mit dem Kommissar Oettinger in der Rösler-Kommission gesprochen und er sagt, die gesamte, gespeicherte Stromenergie in der Europäischen Union, alle Wasserkraftwerke, alle Batterien zusammengenommen, bringen nur für sieben Minuten Strom. Das bedeutet, es muss Strom in der Minute hergestellt werden, wenn er verbraucht wird. Und das ist das Problem bei Wind und Sonne. Da müssen vielleicht noch Gaskraftwerke stärker zugebaut werden. Das sind wichtige Fragen. Energie wird ein großes Thema werden. Und
auf Bundesebene natürlich die Frage der Staatsschuldenkrise. Wo Griechenland bald wieder Geld brauchen wird. Wo Zypern ein schwieriger Fall ist. Wo ich persönlich sage als ein Freund Nordzyperns, wo ich wiederholt war, und der
Türkei, es war ein Fehler, dass die EU Südzypern als Mitglied aufgenommen hat, ohne die Frage zwischen Nordzypern und Südzypern zu lösen. Zumal der UN-Friedensplan von den griechischen Zyprioten abgelehnt worden ist. Ich meine, das wäre richtig gewesen, wo man auch jetzt Milliarden hingibt, auch diese Fragen zu lösen. Aber die EU hat sich da anders entschieden. Aber die Staatsschuldenkrise wird eine große Frage werden.

Die Wahlprognosen sehen 46 % für die CSU in Bayern vor. Bekommt Bayern wieder eine alleinige CSU-Regierung?

Natürlich wünsche ich mir das sehr. Ich glaube, dass die CSU eine absolute Mehrheit erreicht und allein regieren wird. Das hängt nicht nur mit unserer Stärke, sondern auch mit der Schwäche der anderen zusammen. Herr Ude hat es als Oberbürgermeister in München nicht geschafft, sich auch für die Landespolitik Ziele zu entwickeln, die die Menschen interessieren. Auch dass die anderen Parteien auch keine substantielle Kritik an der Arbeiterregierung haben. Darum glaube ich, dass die CSU eine absolute Mehrheit erreichen wird und ich halte das für gut.

Sie verfolgen sicherlich auch die türkische Politik. In letzter Zeit geschehen dort interessante Dinge. Das eine sind die Gezi Park Proteste. Das andere der Ergenekon-Prozess, in dem Mitglieder des Militärs wegen versuchter Staatsputsch bestraft worden sind. Was halten Sie von diesen Entwicklungen?

Zunächst ist die wirtschaftliche Entwicklung der Türkei in den letzten zehn Jahren fantastisch gewesen. Die Türkei hat jetzt ein Bruttosozialprodukt von 12.500 US-Dollar pro Kopf. Vor zehn Jahren waren es 2.500 Dollar. Aber auch die Frage der Menschenrechte und der Demokratie hat zugenommen.
Die Türkei war vor zehn Jahren noch sehr stark von einem Militär beeinflusst. Das Militär hat sozusagen ein Vetorecht beansprucht. Das hat Erdogan beseitigt. Das ist gut. Im Prinzip halte ich es für richtig, dass der Generalstab nicht der Kontrolleur der Demokratie ist und es ist richtig,
falls ein Putsch geplant war, dagegen gerichtlich vorzugehen. Allerdings sind schon erhebliche Zweifel bei uns da, ob der Prozess fair und demokratisch geführt wurde. Ob alle Putschisten waren oder ob nicht versucht worden sind, politische Gegner damit auszuschalten. Das darf nicht
passieren. Da sind noch große Zweifel da, zumal auch die Vorgänge im Gezi Park zeigen, dass Erdogan ein sehr, auf seine Person zugeschnittenes Regierungssystem hat, das bis hin zu einem autoritären System geht. Nicht so weit wie in Russland, aber wo die Frage Kontrolle durch starke Opposition durchaus mangelhaft ist. Ich wünsche der Türkei durchaus eine starke Regierung, aber sie braucht auch eine starke Opposition, damit die Demokratie gesichert ist. Zu einer Demokratie gehören auch Proteste und wenn die
Proteste mit Wasserwerfern, Tränengas und großer Gewalt niedergeschlagen werden, ist das kein gutes Zeichen. Der Demokratiebericht der Europäischen Union wird für die Türkei nicht schmeichelhaft ausfallen. Es wäre sehr wünschenswert, wenn Erdogan die Forderungen, mit denen er an die Regierung
gekommen ist, mehr Demokratie, mehr Freiheit, mehr Menschenrechte, wieder ernst nimmt.

Sie haben die Türkei sehr oft besucht. In der letzten Zeit aber nicht mehr. Werden Sie wieder Zeit dafür finden?

Ich wollte es nicht sagen, aber spätestens nächstes Jahr besuche ich wieder die Türkei. Ich habe schon Heimweh nach Kemer und dem Löwenfelsen. Ein Herr hat uns nach Istanbul eingeladen und meine Frau hat gesagt, sie will da sofort hin. Istanbul ist eine wunderbare Weltstadt, die auf einem Niveau mit Rom oder New York liegt. Eines der schönsten Erlebnisse die wir hatten, war ein Ballonflug letztes Jahr über Göreme in Kapadokien. Ein unglaubliches Erlebnis. Das einzige, was ich an der Türkei nicht kenne ist die Schwarzmeerküste, weil man sagt, dass es dort immer regnet. Aber irgendwann werde ich auch dort hinfahren. Und ich höre, dass auch gerade im Osten der Türkei eine gute Entwicklung herrscht, weil die Probleme mit der PKK, der Kurdenkonflikt gelöst wird. Das ist auch etwas, was ich der Türkei sehr wünsche. Diesen Geisel des Terrors mit vielen Toten zu überwinden und ein friedliches Zusammenleben von unterschiedlichen Ethnien zu schaffen.

Detaillierte Post auf SABAH AVRUPA – Die Türkische Tageszeitung.

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *