„Einheit der Arbeiter; Brüderlichkeit der Völker!“

Der Kandidat des „Blocks für Arbeit, Demokratie und Freihei“, Levent Tüzel, wurde bei den Wahlen zur Türkischen Großen Nationalversammlung am 12. Juni 2011 als Direktkandidat im Wahlkreis 3 in Istanbul ins Parlament gewählt. Zusammen mit 35 weiteren Abgeordneten des Bündnisses wird der ehemalige EMEP-Vorsitzende (Partei der Arbeit) für eine friedliche Lösung der kurdischen Frage und für die Demokratisierung des Landes den Kampf im Parlament fortsetzen. Tüzel beantwortete die Fragen der türkischen Tageszeitung „Evrensel“, die wir hiermit übersetzt unseren Lesern nicht vorenthalten wollen.

Was bedeutet der Wahlerfolg des Blocks für die nahe Zukunft der Türkei?
Dieser Wahlerfolg ist auf den Einsatz von Millionen von Werktätigen, Ausgegrenzten und Unterdrückten zurückzuführen, die mit dem „Block“ ihre Hoffnungen verbinden. In der nahen Zukunft müssen viele heiße Eisen anpacken. Da wäre zuerst die kurdische Frage, die auf ihre friedliche und demokratische Lösung mit dem Ziel der Gleichberechtigung wartet. Auch Fragen der Demokratisierung und Arbeiterrechte werden eine wichtige Rolle spielen. Debatten um die Verfassungsänderung werden auf der Tagesordnung sein. Der Block für Arbeit, Demokratie und Freiheit wird dabei ein Teil der gesellschaftlichen Kräfte sein, die für diese Ziele ihren Kampf verstärken werden.
Die EMEP war ein Bestandteil des Wahlbündnisses und stellte zugleich in 48 Provinzen eigene Kandidaten auf. Was bedeutet für Ihre Partei der Wahlausgang?
Das war für uns ein lehrreicher und zukunftsweisender Wahlkampf, der die Einheit stärkte. Das Wahlbündnis kam ziemlich spät zustande und hatte Startschwierigkeiten inhaltlicher Natur. Hätten wir diese nicht gehabt und womöglich geeignetere Kandidaten aufgestellt, wäre der Erfolg grösser ausgefallen. Wir haben immer wieder erfahren, dass die Menschen in unserem Block ein Zentrum sehen, das nicht nur ein Bündnis für die Parlamentswahlen ist, sondern auch zukünftig den gemeinsamen Kampf anführt. Der Wille des kurdischen Volkes für eine gleichberechtigte und gemeinsame Zukunft wurde stärker. Unser Erfolg ist also nicht zuerst die starke Fraktion, die ins Parlament einzieht, sondern vor allem die Hoffnung auf eine bessere Zukunft, die er ausstrahlt.
Die EMEP setzte sich stets für die Verstärkung des Kampfes der unterdrückten Völker und somit auch für eine demokratische Lösung der kurdischen Frage ein. Wir waren stets bemüht, die türkischen Arbeiter und Werktätigen für dieses Ziel zu gewinnen. Mit diesem Selbstverständnis beteiligten wir uns am Wahlbündnis und stellten in den Provinzen, in denen das Wahlbündnis keine eigenen Kandidaten aufgestellt hatte, unsere Kandidaten auf. Deshalb sind wir mit dem Wahlkampf und dem Ergebnis zufrieden.
Die Hauptkritik am Wahlbündnis war, dass man sich auf die kurdische Frage konzentrierte und andere Fragen zu kurz kamen. Was sagen Sie dazu?
Diese Kritik teile ich nicht. Wir brachten auch andere Forderungen stark zur Sprache. Forderungen wie die Demokratisierung des Arbeitsrechts, eine sozial gerechte Wirtschaftspolitik, eine aktive Umweltpolitik, die Respektierung aller Minderheiten und Glaubensgemeinschaften und Zuerkennung ihrer Rechte etc. standen und stehen in unserem Programm. Es ist allerdings so, dass zur Durchsetzung eben dieser Forderungen zunächst die Lösung der kurdischen Frage notwendig ist. Das Erreichen des Friedens stand für weite Teile der Bevölkerung an erster Stelle. Und wir mussten dieser Frage deshalb einen breiten Platz einräumen. Und deshalb stellten wir den Wahlkampf unter die Hauptlosung „Einheit der Arbeiter; Brüderlichkeit der Völker!“ Nur so werden wir die Einheit der Arbeiter und Werktätigen erreichen. Und diese Haltung wurde schließlich von vielen auch geteilt, wie das Wahlergebnis zeigt.
Im Wahlkampf wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass der Block nicht ein Provisorium ist, das nach dem Wahltermin auseinandergeht. Was ist der diesbezügliche aktuelle Stand. Wird der Block den eingeschlagenen Weg weiter zusammengehen?
Wir sind dafür, dass er diesen Weg weitergeht. Er muss das Ziel verfolgen, sich zu einem politischen Zentrum mit großer Anziehungskraft für weite Bevölkerungsteile weiterzuentwickeln. Der Zusammenschluss kurdischer Kräfte mit türkischen Linken, Sozialdemokraten, Sozialisten und der Arbeiterbewegung führte auch zu einer Sensibilisierung der Letzteren hinsichtlich der kurdischen Frage. Gewerkschafter, Intellektuelle, Vertreter von Berufsverbänden oder feministischen Organisationen, sie alle positionierten sich zu dieser Frage.
Diese erzielte Synergie muss jetzt weiterentwickelt werden. Die Bestandteile des Blocks müssen jetzt für das Ziel eintreten, aus dem Wahlbündnis eine neue Partei entstehen zu lassen, die landesweit Einfluss hat. Wenn die gewählten Abgeordneten dies schaffen, wird sich das auch positiv auf die Basis auswirken.

Wie wird der Block, den an ihn gerichteten Erwartung gerecht werden, sich zum wahren Vertreter der gesellschaftlichen Opposition und zu einem Zentrum für soziale Kämpfe zu entwickeln?
Der Wahlkampf war wesentlich ein Wahlkampf zwischen zwei politischen Linien: auf der einen Seite kämpfte das von AKP angeführte Lager der bürgerlichen Parteien. Auf der anderen Seite standen unser Bündnis und die von ihm angeführten Kräfte. Die CHP, die als die größte Oppositionspartei dargestellt wird, unterscheidet sich programmatisch und inhaltlich nicht von der Regierungspartei. Auf diese Schwäche der CHP ist der Wahlerfolg der AKP zum größten Teil zurückzuführen. Die CHP bietet keine Lösungsvorschläge zu Fragen der Demokratisierung und zur kurdischen Frage. Wir sind die einzige Kraft, der gute und zielsichere Lösungsvorschläge zugetraut werden. Und uns wird auch zugetraut, für diese Forderungen mit aller Kraft und konsequent einzustehen. Von daher werden wir im Parlament, aber auch außerparlamentarisch als die eigentliche Opposition angesehen.

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