Frauenbewegung gibt Hoffnung für 2015
Weltweit empfingen Milliarden von Menschen das neue Jahr mit der Hoffnung auf etwas Besseres. Für sich, für die Familie, für die Gemeinschaft, für die Welt. Es ist die Hoffnung auf Veränderung, auf Verbesserung. Getragen von Jugendlichen, Beschäftigten und Frauen weltweit. Darin liegt der entscheidende Unterschied zu den Regierenden, die auf die Fortsetzung des Bestehenden, auf eine Politik des „Weiter so“ beharren. Fast alle bisherigen Gesellschaften der Menschheit verbündeten sich mit dem Patriarchat und seinen reaktionären Auswucherungen. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Sowohl in unterentwickelten Ländern, wie auch in hochentwickelten Industrienationen sind Frauen weiterhin das benachteiligte Geschlecht – als Frau und als Arbeiterin. Ihre ökonomische Abhängigkeit und die Folgen der Zunahme der reaktionären Politik – eben auch mit kriegerischen Mitteln – haben die Tagesordnung der Frauenbewegung im Jahr 2014 geprägt.
Gewalt gegen Frauen angestiegen
Die Weltgesundheitsorganisation WHO warnte 2014 vor dem gefährlichen Anstieg der Gewaltbetroffenheit von Frauen. Demnach erfahren ein Drittel aller Frauen (mehr als eine Milliarde) weltweit körperliche Gewalt. Der Tod von Mehtap Savasci und Tugce Albayrak in den letzten Wochen des Jahres erschütterte uns. Der konservative Wind, der mit und in Folge der weltweiten Anspannung zwischen den Großmächten und kriegerischen Auseinandersetzungen in regionalen Schauplätzen wie in der Ukraine und im Nahen Osten in den vergangenen Monaten sichtbar erstarkte, hat in besonders gravierender Weise Frauen weltweit massiv ergriffen.
Die schmutzige Politik mit dem Körper der Frau
Das Massaker der radikalislamistischen Sekte Boko Haram in Nigeria kostete etlichen Menschen das Leben. Hunderte Schulmädchen wurden entführt. Um ihre Vergewaltigung zu legalisieren bzw. zu rechtfertigen, wurden sie mit ihren Entführern verheiratet. Eine grausame Doppelmoral, die keine Einzelfälle stellen. Die IS-Terrorgruppe missbrauchte Frauen als bestimmtes Mittel zur Zwangsislamisierung. Die brutale Vergewaltigungsserie in Indien enttarnte, wie massiv Frauen sexualisierter Gewalt, bedingt durch das Kastensystem, ausgesetzt sind. Der Körper der Frau ist nicht nur Zielscheibe der reaktionär-patriarchalen Politik weltweit. In fast allen bisherigen Gesellschaften wird die Frau auch heute den kommerziellen Verwertungsinteressen gebeugt und „vermarktet“. Der (legale und illegale) Handel mit dem Körper der Frau und sein abscheulicher Ausmaß zeigte sich in diesem Jahr auch bei der WM in Brasilien.
Immer mehr Frauen arbeiten
Immer mehr Frauen arbeiten. Der weltweite Bedarf an billiger Arbeitskraft der Frau drängt sie verstärkt in die Produktion. Auch in Deutschland nehmen immer mehr Frauen und auch Migrantinnen eine Arbeit auf. Jedoch zu einem Lohn, der nicht zum eigenständigen Auskommen reicht. Unter Bedingungen, die kaum bzw. keine Verbesserung ihrer sozio-ökonomischen Lage mitbringt. Ganz im Gegenteil. Denn die Zunahme der Frauenarbeit geht Hand in Hand mit einem Festhalten an traditionellen Rollenbildern, somit auch an den „familiären“ Verpflichtungen der Frau. So ist es auch nicht verwunderlich, dass die Große Koalition der konservativen Frauenpolitik treu bleibt. Statt Müttern die kindliche Betreuung abzunehmen, wird das „Zuhausebleiben“ der Frau mit Prämien belohnt. Der Niedriglohnsektor mit ca. 8 Millionen Beschäftigten ist eine Domäne der Frauenarbeit – bestimmt durch flexible, unsichere Beschäftigungsverhältnisse, Teilzeit, Minijobs und einer Zersplitterung der Arbeitszeit. Arbeit auf Abruf – Arbeitsverhältnisse, die Frauen gerade im Dienstleistungssektor in Kauf nehmen müssen. Doch junge Arbeiterinnen und Beschäftigte wehren sich. Wie die junge und kämpferische Betriebsrätin Ayse B. die ihren Arbeitskampf gegen H&M schließlich gewann: „Die heutige Arbeitssituation ist so, dass viele befristet arbeiten. Wenn sich dann niemand mehr traut, dann haben wir keine Arbeitnehmervertretungen mehr. Es geht nicht nur um mich, sondern um die Betriebsräte allgemein. Das zu erkennen, hat mir die Kraft gegeben, das Ganze durchzustehen“ (Ayse B.)
Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro ab Januar 2015 ist im Kampf der Frauen für bessere Arbeit und Lohn ein wichtiger, längst überfälliger Teilerfolg. Doch schon vor Inkrafttreten des Gesetzes ist schon klar, dass ohne Kontrolle, ohne starken gewerkschaftlichen Druck und ohne ihre Verbindung mit den weiteren Forderungen der Frauen gegen die Abschaffung von prekären Arbeitsverhältnissen, der Mindestlohn der Willkür der Arbeitgeber und Wirtschaft ausgeliefert wird.
Weltweit flammen Proteste auf
Den Wunsch nach Veränderung, auf ein besseres Leben, teilen Millionen von Menschen und Frauen auf der Welt. Mit Arbeitskämpfen, Massendemos, Straßenschlachten und Unruhen in Europa, ja der ganzen Welt, kamen sie zum Ausdruck. In Griechenland, Spanien, Italien, Großbritannien, Indien, Brasilien, Mexiko, Rojava – überall auf der Welt kam es zu Protesten und Widerständen. In all diesen Protesten reihten sich (junge!) Frauen ein – eindrucksvoll auch in den vordersten Reihen. Wie bspw. unter den Zehntausenden in Großbritannien im Protest gegen den Sparkurs der Regierung. In Griechenland im Protest der 595 Putzfrauen des griechischen Finanzministeriums gegen ihre Entlassung und Vergabe ihre Arbeitsplätze an Subunternehmen. In Mexiko skandierten Zehntausende Frauen, Mütter und Männer die Verschleppung von 43 Studenten durch die Polizei. In Spanien in den Protesten gegen die Sparmaßnahmen der Regierung und den geplanten Einfluss der Katholischen Kirche in der Bildung. In Italien unter den 1,5 Millionen Beschäftigten, die gegen die Angriffe auf die ArbeiterInnrechte in Rom protestierten. Im Iran gegen die Hinrichtung von Reyhaneh und Säure-Überfälle auf Frauen.
Das neue Jahr wird mit vielen Wünschen und Vorsätzen begrüßt. Rückblickend auf das alte Jahr und vorausschauend auf neue Jahr, bleibt uns die gestiegene Verantwortung, den Weg der Frauen für ihre sozialen und politischen Forderungen nicht nur fortzusetzen, sondern voranzutreiben. Dazu gehört nicht nur eine breitere Aufklärungsarbeit, sondern auch die besondere Mühe, den Protest der Frauen auch praktisch zu organisieren – gegen jede Politik, die sie als benachteiligtes Geschlecht gefangen hält.
Sidar Carman
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