Erzwingungsstreik für KollegInnen im Gesundheitsbereich braucht Solidarität
Erzwingungsstreik für KollegInnen im Gesundheitsbereich braucht Solidarität
Gizem Gözüacik
In kaum einem Job werfen so viele hin wie in der Pflege. Neueste Berechnungen der Deutschen Krankenhausgesellschaft zeigen, dass zur Zeit etwa 40.000 Pflegekräfte in Krankenhäusern fehlen. Laut der Gewerkschaft Verdi müssten sogar 100.000 Pflegestellen neu geschaffen werden, um den Bedarf in den Kliniken zu decken. „Wenn hier nicht schnell spürbare Verbesserungen kommen, werden vermutlich noch mehr beruflich Pflegende den Beruf verlassen. Die pflegerische Versorgung ist jetzt schon am Limit, und wir können es uns nicht leisten, noch mehr Kolleginnen und Kollegen zu verlieren.“, so Christel Bienstein, Präsidentin des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe.
Das war Grund genug für die gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten von Vivantes, Charité und ihrer Tochterunternehmen in Berlin, sich für einen unbefristeten Arbeitskampf auszusprechen. Mit etwa 98% zeigte sich die KollegInnen streikbereit.
Seit dem 9. September läuft nun der unbefristete Erzwingungsstreik, indem die Beschäftigten mehr Personal, bessere Ausbildungsbedingungen und faire Löhne fordern. Zu den Forderungen gehört auch die Bezahlung nach Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD) für alle Beschäftigten der Tochterunternehmen von Vivantes und Charité und zum Anderen der sogenannte „Tarifvertrag Entlastung“, der eine Mindestpersonalbesetzung für einzelne Klinikstationen und einen Belastungsausgleich bei Unterbesetzung vorgibt.
Bemerkenswert an diesem Arbeitskampf ist vor allem der Zusammenhalt unter den Streikenden. Trotz der unterschiedlichen Tarifziele kämpfen die Beschäftigten der Kliniken und ihrer Tochtergesellschaften gemeinsam.
Nachdem die Beschäftigten bereits in der letzten Augustwoche nach vielen ergebnislosen Verhandlungen angefangen hatten, zu streiken, reagierte die Vivantes-Geschäftsführung mit einem Angriff auf das Streikrecht. Dabei versuchte sie durch eine einstweilige Verfügung die Streiks zu unterbinden, was allerdings vor Gericht scheiterte. Das beeindruckende eindeutige Ergebnis der Urabstimmung unter den ver.di-Mitgliedern zeigt dabei deutlich, wie sehr die Wut und die Streikbereitschaft daraufhin weiter wuchs. „Es ist unverständlich und bedauerlich, dass die Arbeitgeber die vielen Wochen zuvor nicht genutzt haben und es nun auf einen Arbeitskampf ankommen lassen. Die Beschäftigten hätten das gerne vermieden. Sie sind aber nicht länger bereit, sich hinhalten zu lassen“, betont Meike Jäger, die bei ver.di in Berlin und Brandenburg für das Gesundheitswesen zuständig ist.
Trotz des andauernden Gegenwinds und der Einschüchterungsversuche von Seiten des Managements erklären sich die Beschäftigten auch während des Streiks jederzeit verhandlungsbereit.
Die Konzerne versuchten zunächst weiterhin die Streikenden massiv unter Druck zu setzen, indem sie die Unterzeichnung einer Notdienstvereinbarung verweigerten, die für die Gewährleistung der Grundversorgung von Patienten wichtig wäre und damit drohten, bei Streikbeginn die offiziellen Verhandlungen zu stoppen. Ein vorgelegtes Verhandlungsangebot für die Vivantes-Tochtergesellschaften wurde von der ver.di-Tarifkommission entschlossen zurückgewiesen, da dieses zwar die Erreichung des TVöD-Niveaus als Ziel benennt, allerdings erst für 2028 und unter Vorbehalt. „Die Streiks bringen Bewegung in den Tarifkonflikt. Zum ersten Mal überhaupt hat Vivantes das Ziel einer Angleichung der Löhne und Arbeitsbedingungen an den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) akzeptiert. Sie bieten an, das TVöD-Niveau erst im Jahre 2028 zu zahlen. Damit sollen die Beschäftigten sieben Jahre hingehalten werden. So lange können sie nicht mehr warten. Daher ist dieses Angebot vollkommen unzureichend und muss deutlich nachgebessert werden, damit es verhandlungsfähig ist“, sagt die stellvertretende ver.di-Landesbezirksleiterin Susanne Feldkötter.
Die Gewerkschaft bleibt trotz des enttäuschenden Angebots weiterhin bereit, über einen Stufenplan zur Angleichung an den TVöD zu verhandeln. Fast 2.000 Beschäftigte haben sich im Zuge der Auseinandersetzungen bei ver.di organisiert. Die Kampfbereitschaft ist stark.
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