Wer hat die Türkischen Playoffs gewonnen?

Galatasaray Istanbul ist das erste Mal nach 2008 wieder Türkische Meister. Mit diesem Ergebnis ging am vergangenen Samstag eine der kontroversesten Spielzeiten des Türkischen Fußballs fast zu Ende- das Pokalfinale und die Entscheidungsspiele um den letzten Europaleague- Platz stehen noch bevor-, die außer dem verdienten Meister eigentlich nur Verlierer hervorgebracht hat.

Der großen Verlierer dieser Saison sind die Türkischen Fußballfans! Gemeint sind übrigens die, die sich ein Fußballspiel angucken, weil sie daran Freud und Leid empfinden; die die sich noch Tage nach einem Spiel mindestens eine entscheidende Szene des vergangenen Spiels streiten; die, die sich so wunderbar aufregen und so herrlich freuen können; die, die friedliche Autokorsos bilden können; also die, die dem Türkischen Fußball die einzigartige Atmosphäre verleihen, die inzwischen weltweit bewundert wird. Denn sie alle wurden betrogen.

Zu einem wurden sie von den Hooligans betrogen. Denn einmal mehr bildeten sogenannte Fans den traurigen Höhepunkt einer Partie. Millionen Zuschauer durften am Samstag erleben, wie frustrierte „Anhänger“ von Fenerbahçe auf den Platz stürmten und sich hitzige Gefechte mit den Sicherheitskräften, mit den offiziellen der TFF und außerhalb des Stadions mit den Polizeikräften lieferten.

Zwar ist es eine besondere Herausforderung für Sympathisanten der Kanarienvögel, dass Galatasaray, ihr ausgemachter Erzfeind, ausgerechnet in ihrem Stadion die Meisterschaft für sich entschieden hat, und dann auch noch in einem Endspiel, das an Drama nicht zu überbieten ist. Denn hätte Fener gewonnen, hätten sie sich Meister nennen dürfen. Aber das entschuldigt nicht, wie so viel Gewalt ausbrechen konnte. Wir alle können froh sein, dass nach diesen schrecklichen Bildern, keine Menschen zu Schaden gekommen sind.

Das Krisenmanagement der TFF ist ein weiterer großer Verlierer. So waren die Fußballspieler dazu gezwungen, zunächst in die Kabinen zu flüchten und dort zu warten. Wegen der großen Unruhen wollten die TFF- Mannen den Meisterschaftspokal Cimbom in der Kabine überreichen, um der Krise Herr zu werden.

Das wiederum lehnten die Verantwortlichen vom Meister ab. Eine groteske Situation! Erst nach Intervention vom Präsidenten Erdoðan übergaben die offiziellen Funktionäre der TFF der Mannschaft von Fatih Terim nach 3 Stunden des Wartens in der Ungewissheit in der Kabine letzen Endes im Stadion, allerdings bei ausgeschaltetem Flutlicht!! Nicht auszudenken, wenn diese Herrschaften ein Turnier wie die EM austragen sollen!

Überhaupt die TFF! Denn unter dem Vorsitz von Yildirim Demirören, der in der laufenden Saison den Vorsitz übernommen war, nachdem ihr vorheriger Präsident, Mehmet Ali Aydinlar während des Manipulationsverdacht am 31.01.2012 völlig überraschend zurückgetreten ist, entwickelte sich eine Führung, die sich durch zahlreiche fragwürdige Entscheidung auszeichnet.

Eine der kuriosesten Entscheidungen, neben der der völlig überflüssigen Playoffs, war, dass kurzerhand der § 58 der TFF-Statuten kurzerhand rückwirkend geändert wurden, so dass die Beteiligten an den Manipulationsskandal nicht befürchten müssen, zwangsweise abzusteigen. Denn, so die Funktionäre, es haben zwar Versuche stattgefunden, Spiele zu manipulieren, aber sie hätten ja in Realität nicht stattgefunden. Ergo liege kein vollendeter Betrug vor. Da allerdings die ursprüngliche Fassung des Paragraphen selbst den Versuch sanktioniert, wurde dieser bequem geändert. Was nicht passt wird passend gemacht!

Für Spieler, Schiedsrichter und Funktionäre bedeutet das praktisch einen Freibrief. Denn sie können jetzt munter mauscheln und schieben, sie dürfen dabei aber nicht noch erfolgreich sein. Werden sie erwischt, bevor ein Betrug vollendet wird, oder sie scheitern einfach, dann gehen sie straffrei aus und dürfen es noch einmal probieren. Ein Rechtsstaatsprinzip ist da nur schwer zu erkennen.

Als Grund für diese doch schwer nachzuvollziehende Entscheidung dürfte der sein, dass mit dem Zwangsabstieg von Fener das Zugpferd der Türkischen Liga verschwinden würde, was empfindliche finanzielle Löcher in den Haushalt des Verbandes nach sich würde. Also wurde das finanzielle Interesse über die der Gerechtigkeit gestellt.

Angesichts dieser bananenrepublikanischen Rechtsauffassung schütteln nicht nur die Fußballfans weltweit den Kopf, auch die UEFA unter dem Vorsitz Michelle Platinis tut dies.

Denn sie sagt ganz unmissverständlich, dass sie mit dem Krisenmanagement der Türken nicht zufrieden ist. Sollten nicht ernsthafte Sanktionen eingeleitet werden, so drohen sie, würden Sie sämtliche Türkische Vereine aus den europäischen Wettbewerben ausschließen, einschließlich die der Nationalelf. Gerade im Hinblick auf die erstmalig realistisch in Aussicht gestellte Austragung der Fußball-EM 2020 in der Türkei kein so günstiger Zeitpunkt.

Der Fußballfan muss sich also betrogen fühlen. Denn was er will, ist eigentlich ganz einfach: Mitreißende, spannende Spiele, die nach dem Fairnessgebot ausgetragen werden; Stadien, in denen sich Familien sicher fühlen können und einen erfolgreiche Türkischen Fußball im internationalen Vergleich. Dass der Sport, der die Massen elektrisiert auch im Land unterm Sichelmond dazu das Potential hat, haben die vergangenen Welt- und Europameisterschaften gezeigt.

Es heißt ja auch, dass der Fisch am Kopf zu stinken anfängt. Die Verantwortlichen der TFF müssen sich die Frage stellen, ob das desolate Bild, das der Türkische Fußball zurzeit abgibt, nicht auch dazu führt, dass die Türkischen Fußballtalente wie Özil oder Güngoðan sich lieber für die gut organisierte Nationalteams wie Deutschland entscheiden.

Cinar Ciftlik

Detaillierte Post auf SABAH AVRUPA – Die Türkische Tageszeitung.

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