Schöner leben ohne Geheimdienste
Sevim Dağdelen
Da morden Nazis seit Jahren ungestört und mit staatlicher Unterstützung in der gesamten Republik und trotzdem suchen Politiker der Regierungsfraktionen sowie die Bundes- und einige Landesregierungen lieber vermeintliche Linksextremisten. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt ist sich nicht mal zu blöd, ein Verbot der Partei DIE LINKE zu fordern und setzt sie faktisch mit der NPD gleich. Damit verhöhnt er die mehr als 150 seit 1990 ermordeten Naziopfer. Und das angesichts der aktuell vorgelegten Zahlen von Straftaten mit rechtsextremen und „ausländerfeindlichen“ Hintergrund, die im November 2011 den zweithöchsten Stand erreichten. Trotzdem wollen seit Jahren weder die bisherigen Bundesregierungen noch Kriminal- und Verfassungsschutzämter eine neonazistische Gefahr sehen. So wurde 2006 beim Bundesverfassungsschutz die Abteilung gegen Rechtsextremismus aufgelöst und 2007 die Arbeit der 1992 eingerichteten „Informationsgruppe zur Bekämpfung rechtsextremistischer, terroristischer und fremdenfeindlicher Gewaltakte“ eingestellt. Antifaschistisches und zivilgesellschaftliches Engagement wird allerdings als „linksextremistisch” kriminalisiert und strafrechtlich verfolgt.
Mit dem behaupteten „Linksextremismus” der Linksfraktionen in Bund und Ländern hat das nichts zu tun. Die Linke verteidigt demokratische und soziale Grundrechte gegen die Angriffe der Regierung und nur deswegen wird sie ins Visier genommen. Wir gehen davon aus, dass diese Liste nur die Spitze des Eisberges darstellt. Jede Kategorisierung in „gute oder schlechte Linke” weisen wir zurück.
Die Bundesregierung behauptet, sie wolle mit ihrer Überwachung von LINKEN-Abgeordneten prüfen, ob diese etwa eine „Instrumentalisierung des Parlaments” betreiben. Doch ist sie es selbst, die das Parlament instrumentalisiert. Es ist die Regierung, die den Bundestag nicht als Ort ernsthafter Beratungen, sondern fast nur noch als Organ zum Abnicken und Durchpeitschen eigener Gesetzesvorlagen betrachtet, die oft vom Bundesverfassungsgericht kassiert werden. Mit „Aktuellen Stunden” wird immer wieder versucht, antifaschistische, antimilitaristische und internationalistische Äußerungen von LINKEN-Politikern in gröbster Polemik zu entstellen und zu skandalisieren. Die Exekutive missachtet das Frage-, Auskunfts- und Kontrollrecht des Bundestages ein ums andere Mal, wie wir das häufig in den Antworten auf Kleine Anfragen erleben. Doch all dies ist selbstverständlich nicht Gegenstand der Arbeit des Verfassungsschutzes.
Die Bundesregierung hat in der Antwort auf eine Kleine Anfrage schon 2009 zugegeben, dass die angeblich un-unheimliche Beobachtung „jedoch nicht aus[schließt], dass sich in der Sachakte des Bundesamtes für Verfassungsschutz, BfV, auch im Einzelfall mit nachrichtendienstlichen Mitteln gewonnene Informationen befinden…“ Wenn tatsächlich bloß Zeitungsschnipsel sortiert würden, gäbe es ja auch keinen Anlass, ganze Seiten in den Akten zu schwärzen. Der Verfassungsschutz werte also nicht lediglich öffentlich zugängliche Quellen aus.
DIE LINKE soll in den Ruch des Verfassungsfeindlichen gestellt werden. Ihre MandatsträgerInnen sollen stigmatisiert und kriminalisiert werden, um (potentielle) WählerInnen abzuschrecken. Die Partei und ihre Politik für soziale und demokratische Rechte, gegen Kriegseinsätze, gegen Verarmung per Gesetz und kapitalistische Ausbeutung, wird unter „Extremismusverdacht” gestellt.
Mit der Beobachtung zahlreicher LINKEN-Abgeordneter aus Bund und Ländern zeigt der Verfassungsschutz, dass er ein ideologisches Instrument einer autoritären Staatstradition ist. Nicht allein der Vorgang der Beobachtung, sondern der Verfassungsschutz selbst stellt einen Angriff auf die Demokratie dar. Für die Geheimdienste steht der Feind offenkundig links. Entsprechend auch die inhaltliche, personelle und finanzielle Schwerpunktsetzung des Verfassungsschutzes: das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) lässt sich die Beobachtung durch sieben Mitarbeiter jährlich 390.000 Euro kosten und damit mehr als zwei Drittel soviel wie die NPD-Überwachung durch etwas mehr als zehn Mitarbeiter (590.000 Euro).
Es bleibt dabei: Die Nachrichtendienste sind nicht Teil der Lösung, sondern Teil des gesellschaftlichen und neonazistischen Problems. Deshalb gehören sie abgeschafft.
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