NSU-Prozess: Feindbild Dönerbude!

Der 6. Verhandlungstag im NSU-Prozess ging gestern mit den Aussagen des Zeugen Carsten S. weiter. Er erklärte: „Wir haben Unterschriften gegen die doppelte Staatsbürgerschaft gesammelt. Dort war ein Spruch `Straffällige Ausländer raus´. So entstand unser Feindbild“.

Die besagte Unterschriftenaktion wurde Ende 1998, Anfang 1999 von der CDU gestartet. Die Aktion hatte Erfolg und sorgte dafür, dass das Thema doppelte Staatsbürgerschaft zugunsten seiner Gegner ausging. Selbstverständlich wurde das Thema als Kampagne zeitgleich mit den hessischen Landtagswahlen auf den Tisch gebracht und sorgte für Unmut sowie Polarisierung. Dank dieser Kampagne erreichte Roland Koch von der CDU in Hessen die Mehrheit und wurde Regierungschef.

Carsten S. gibt zu, eine Waffe der Marke Ceska mit Schalldämpfer, die mutmaßliche Tatwaffe, im Auftrag und unter Anleitung von Ralf Wohlleben, besorgt zu haben. Das Geld bekam er ebenfalls von ihm. Die Übergabe der Waffe fand in einer runtergekommen Abrisshalle statt und ging nach Carsten S. Aussage fast schief: „Während der Waffenübergabe kam ein Mann rein und fragte uns, was wir dort machen. Einer der Uwes konnte die Waffe hinter seinem Rücken verstecken, bevor wir rausgeschmissen wurden.“ Auf die Frage des Richters, warum er denn geholfen hat, sagte Carsten S.: „Sie brauchten Hilfe und ich wollte helfen.“ Mit Ralf Wohlleben, der auch sein Nachbar war, habe er nicht viel zu tun gehabt, so der Zeuge, er hing mehr mit Christian K. ab, der ihn auch ausbildete.  Über seine Beziehung zum NSU-Trio erklärt er: „Ich kann mich nicht erinnern, lange Gespräche mit diesem Trio geführt zu haben. Es war mehr eine Bekanntschaft als eine Freundschaft. Ihr Freund war eher Andre K. Ich habe sie so gesehen und so kennengelernt.“

Er sagt auch über ihre Überfälle auf Dönerbuden aus: „Wir haben einen Angriff auf ein Dönerfahrzeug organisiert, dass in Winzerla, Jena bei Teppich Freund stand. Wir waren am Abend mit sieben, acht, vielleicht auch neun Leuten unterwegs. Wir haben was gegessen und getrunken. Dann hatte einer die Idee, die Dönerbude anzugreifen. Wir haben das Dönerfahrzeug umgekippt. Einer anderen Dönerbude haben wir die Fenster eingeschlagen.“

Richter Göztl will wissen: „Warum haben Sie den Dönerstand umgekippt? Warum haben Sie einen Angriff organisiert?“ Carsten S.: „Es war die Idee von einem aus der Gruppe.“ Der Richter hakt nach: „Warum den Dönerstand?“ und Carsten S. antwortet: „Dönerbuden waren für uns Feindbilder. Wenn da eine Bockwurstbude gestanden hätte, hätten wir das nicht gemacht.“ Unzufrieden fragt der Richter nach: „Was war eure Motivation?“. Der Zeuge: „Ich glaube, das war eine Mischung aus Aufregung erleben wollen und einander imponieren. Aber es gab ein Feindbild.“ „Wen meinen Sie mit Feind?“ will der Richter wissen und Carsten S., der sonst alles richtig machen möchte und detailliert erzählt, hat einen Aussetzer.

Detaillierte Post auf SABAH AVRUPA – Die Türkische Tageszeitung.

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