Das Kapital hat den Impfstoff für sich entdeckt!
Ahmet YAŞAROĞLU
Während der ungebremsten Ausbreitung der Corona-Pandemie, spitzen die Menschen hoffnungsvoll die Ohren. Vielleicht gibt es demnächst eine Impfung oder einen Wirkstoff, mit der man die Krankheit besiegen kann. Oder wirksame Maßnahmen, mit denen man das erschwerte Leben meistern kann. In den Ländern mit hohen Fallzahlen war die erste Maßnahme der Staaten, die Bevölkerung in ihre Wohnungen einzusperren. Andere verkündeten offen, dass man die Menschen ihrem Schicksal überlässt und Tote in Kauf nimmt, um dann wegen der Kritik doch noch Maßnahmen zu ergreifen.
Während die Menschen gebangt auf die gute Nachricht warteten, wurden die Regierungen des Kapitals blitzschnell aktiv. In Frankreich sicherte Macron zu, dass kein einziger Kapitalist in Frankreich zugrunde gehen werde. Merkel zeichnete einerseits beängstigende Szenarien für die Bevölkerung und beschloss andererseits Maßnahmen zur Rettung von Konzernen. In der EU wurden Hilfspakete für das Kapital geschnürt. Trump drehte den Geldhahn für US-Konzerne auf, damit sie den Impfstoff entdecken und ihre Kassen füllen können. Das „Verteidigungs-Produktions-Gesetz“ wird jetzt aktiviert. Diesem Weg folgt nun auch das Präsidialpalast in Ankara. Auch dort wird die Gelegenheit gern beim Schopfe gepackt und unter großem Tamtam wiederholt das Ziel ausgegeben, das 21. Jahrhundert zum „Jahrhundert der Türken“ zu machen.
Zwar warteten Hunderte von Millionen Menschen auf den Impfstoff, aber zunächst erhielt das Kapital seine Impfung, sein Lebenselixier. Die Regierungen des Kapitals machten sich sofort ans Werk, um die Pandemie für die Lösung seiner Probleme und die ungehemmte Überwindung der aktuellen Engpässe zum Anlass zu machen. Die Pandemie wurde zur Gelegenheit umfunktioniert, um der Weltwirtschaft gegen die aktuelle Stagnation und die bevorstehende Krise unter die Arme zu greifen. Die beschlossenen Maßnahmen und Pakete sind nichts anderes als Leichenfledderei.
Die Regierungen des Kapitals rechnen damit, dass sie die Arbeiter und Werktätigen umso besser auf ihre Seite ziehen können, je mehr sie Angst und Panik verbreiten. Wissenschaftler teilen mit, welche Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie notwendig sind. Und diese Maßnahmen werden umgesetzt, als würden sie für die Arbeiter nicht gelten. In den Betrieben wird „bei engem Kontakt“ weiter produziert, für die Beschäftigten im Gesundheitssektor zählen keine Schutzmaßnahmen und die Bevölkerung ist in ihren Wohnungen ihrem Schicksal überlassen. Die Fußballer in der Süper Lig werden wie moderne Gladiatoren in die Arena geschickt. Die Isolations- und Schutzmaßnahmen werden gegen die Bevölkerung eingesetzt. Man möchte die Gunst der Stunde nutzen und „Rettungspakete“ für das Kapital schnüren, die gegen die Interessen der Bevölkerung gerichtet sind. Die notwendigen Quarantänebedingungen werden quasi nicht zur Eindämmung der Verbreitung des Coronavirus eingesetzt, sondern zur erzwungenen Kapitulation der Bevölkerung.
Allerdings kostet das Virus nicht nur Menschenleben und verbreitet nicht nur Angst und Schrecken. Es dient der Aufklärung und sorgt auch dafür, dass Menschen die Wirtschaftspolitik kritisch hinterfragen. Manche Staaten, die eine Gefahr darin sehen, haben die Themen „Verstaatlichung“ und „Vergesellschaftung“ wieder auf die Agenda gesetzt. Allerdings ist hinlänglich bekannt, dass unter der kapitalistischen Herrschaft die Vergesellschaftung und Verstaatlichung zur Rettung von Konzernen instrumentalisiert werden. Wenn die Krise vorbei ist, wird wieder privatisiert und die Kapitalisten verdienen sich dabei eine goldene Nase. Man sollte also sich nicht für das kleinere Übel entscheiden, sondern viel weitergehende Forderungen aufstellen.
Eine nachhaltige und endgültige Lösung geht zwar Hand in Hand mit Verstaatlichung und Vergesellschaftung, bedarf aber zugleich eines Kampfes, an dessen Ende der Sieg über den Kapitalismus stehen muss. Ohne diesen Kampf wird man das Kapital nicht besiegen. Das Kapital schaffte es bislang immer wieder, sich aus jeder als ausweglos erscheinenden Lage und Krise zu retten und zu überleben. Es führt allerdings nicht zur vollständigen Genesung des Patienten. Der Kranke wird weiter am Leben gehalten. Es fragt sich, wie lange das noch gut gehen wird.
Der Kapitalismus fällt auseinander, verdirbt und verwest. Allerdings schützen die Regierungen des Kapitals zügellos die Klassenherrschaft der Bourgeoisie. „Aus der Krise Profit zu schlagen“ ist momentan das beliebte Motto der Großbürgerlichen. Eigentlich sind sie nicht auf der Suche nach einem Impfstoff gegen das Virus. Vielmehr suchen sie das Wunder, mit dem sie dem Kapitalismus Unsterblichkeit verleihen können. Allerdings vergessen sie dabei eins: verheerende Zusammenbrüche folgten stets auf Krisen. Wenn die Massen an einem Punkt ankommen, an dem sie keine Hoffnung mehr in dieses System setzen, fangen sie auch an, „Basta!“ zu sagen und ihre Zukunft in die eigenen Hände zu nehmen. Kapitalismus rast auf diesen Wendepunkt zu. Kein Impfstoff und keine Behandlung werden die Hoffnungen der Bourgeoisie erfüllen, die sie für den Kapitalismus hegt.
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