Menschenrechtsaktivistin in der Türkei festgenommen
Menschenrechtsaktivistin in der Türkei festgenommen
Am 26. Oktober wurde Şebnem Korur Fincancı in ihrer Wohnung in İstanbul verhaftet. Der Vorwurf, wie so oft: Terrorpropaganda. Fincancı ist Medizinerin, Vorsitzende des türkischen Ärzteverbandes (TTB), Menschenrechtsaktivistin und Kolumnistin bei der Tageszeitung Evrensel.
Şebnem Korur Fincancı arbeitet als Professorin für Forensik an der Universitat İstanbul und auch eine der Hauptautorinnen des İstanbul-Protokolls, dem Standardwerk der Vereinten Nationen zur Untersuchung und Dokumentation von Folter. Als eine der bekanntesten Menschenrechtsaktivistinnen in der Türkei, ist sie eine aktive Stimme gegen Folter und der türkischen Regierung schon lange ein Dorn im Auge. Bereits zum dritten Mal wird ihr nun Terrorpropaganda vorgeworfen. Die Begründung dafür ist genauso fadenscheinig, wie bei den meisten anderen auch, die sich diesem Vorwurf ausgesetzt sehen. Vor kurzem war Fincancı in einem Fernsehprogramm aufgetreten. Dabei ging es um den Einsatz von Chemiewaffen durch die türkische Armee in der autonomen Region Kurdistan im Nordirak. Fincancı hatte eine unabhängige Untersuchung diesbezüglich gefordert. Das allein reichte Staatspräsident Erdoğan aus, um gegen die verhasste Aktivistin und ihren Verband vorzugehen. In einer Ansprache am Montag vor der Verhaftung warf er Fincancı vor, dass sie die Streitkräfte verunglimpfe und der Verband ‘türkisch’ gar nicht in seinem Namen tragen dürfe. Daraufhin starteten AKP Anhänger eine Online Hetze gegen die Medizinerin, bis sie wenige Tage später verhaftet und nach Ankara in Haft abgeführt wurde.
Fincancı reiht sich in eine lange Linie von Oppositionellen ein, gegen die jegliche ernste Anschuldigung fehlt und gegen die im Anschluss mit dem Vorwand der Terrorpropaganda vorgegangen wird. Nicht umsonst kritisieren Menschenrechtsorganisationen immer wieder den Umgang mit Menschen, die sich kritisch gegen das AKP Regime äußern. Auch gegen Fincancıs Verhaftung reagierten Ärzteverbände und Menschenrechtsorganisationen mit Kritik und Protest. So auch Amnesty International, deren Gast in Berlin Fincancı noch eine Woche vor ihrer Verhaftung war. Auch Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, fordert Fincancıs Freilassung. Für ihr Wirken war Şebnem Korur Fincanı 2018 mit dem hessischen Friedenspreis ausgezeichnet worden. Mit ihrer Verhaftung versucht Erdoğan in bereits bekannter Weise die Opposition zum Schweigen zu bringen. Besonders im Angesicht der Wahlen werden diese Repressionen wohl zu- statt abnehmen. Erdoğan kündigte bereits an weitere Berufsverbände ins Visier nehmen zu wollen. Dass Şebnem Korur Fincancıs Verhaftung ohne internationalen und nationalen Protest verlaufen wird, ist unwahrscheinlich.
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