Mein Leben zwischen zwei Ländern
Kerem Can wurde in Berlin geboren. Er empfängt SABAH in seinem Stadtteil zu einer Strassenreportage. Der Schauspieler betont: „Ich wuchs damit auf, dass ich zwischen der Türkei und Deutschland genährt wurde“. Die Türkei kennt er als Urlaubsort und mit Unterstützung seiner Familie spricht er die Sprache akzentfrei. Sein Film Zenne (Der Bauchtänzer) wurde im April in Berlin gezeigt und in der Türkei mit einem “Altin Portakal“ (Goldene Orange) ausgezeichnet. Seine Leistungen in der Hauptrolle wurden mit Standing-Ovations gefeiert.
Wie kam Kerem Can zum Theater?
Ich bin in Berlin geboren und habe hier die Schule beendet. Mit dem Theater fing ich auf dem Gymnasium an. Nach der Schule folgte ich der Familientradition und fing an, BWL an der Freien Universität in Berlin zu studieren, das Theater habe ich aber nie aufgegeben. Während des Studiums habe ich weiter private Schauspielkurse genommen. Ein Mitstudent von mir hat neben dem Studium auch Schauspiel an der Hans Eiser Schule studiert und eines Tages sagte er zu mir, dass er einen Partner braucht. Er überredete mich zum mitmachen und eine Weile arbeitete ich so an meiner Schauspielkarriere.
Haben Sie auch außerhalb Deutschlands Theatererfahrungen sammeln können?
Ja. Nach dem Studium wollte ich aus Berlin raus. Ich bin nach Paris gegangen, habe dort an einem Bildungsprogramm mitgemacht und private Stunden genommen. Es war nicht einfach. Für mein Schauspielabenteuer habe ich täglich durchschnittlich 16 Stunden geschuftet. Dann ging ich nach England, wo ich mich an 12 Schulen beworben habe. Eine hat mich angenommen. Dort habe ich ein Jahr lang eine Schauspielausbildung bekommen. Dann bin ich zurück nach Berlin gekommen, habe meinen Master gemacht und so die Uni abgeschlossen.
Wie fing ihre Schauspielkarriere an?
Wenn wir die Ausbildungsjahre nicht mitzählen, fing ich 2004 mit der Schauspielerei an. Meine erste Rolle war die eines türkischen Kellners in einem deutschen Krimi. Wie sie wissen, sind hier alle bösen Charaktere Türken oder Araber. Im Theater habe ich mit Nece Celik in Romeo und Julia mitgespielt, ich war Paris. Am Anfang war das so.
Haben sie damals auch an einem Projekt in der Türkei mitgemacht?
Ja. Ich habe in der türkischen Serie “Iki yabanci“ (Zwei Fremde) mitgespielt. Diese Serie wurde unter sehr schwierigen Umständen gedreht. Dabei habe ich gelernt unter Stress, schnell zu arbeiten und zu improvisieren. Somit konnte ich mich in diesen Bereichen stark weiterentwickeln. Zum Beispiel haben wir in Kayseri in einem Krankenhaus gedreht. Wir hatten eine Drehgenehmigung für die 2. und 3. Etage des 10-stöckigen Hauses. Bis morgens um 4.00 Uhr wurde gedreht. Irgendwann kam die Nachricht, dass ein Setmitarbeiter im Gebäude geraucht hat und wir wurden rausgeschmissen. Wir haben schnell ein SSK Krankenhaus (staatliches Krankenhaus) gefunden. Dabei war interessant, dass wir während des ganz normalen Krankenhausalltages gedreht haben. Rechts und Links echte Kranke, Verletzte, schmerzleidende Menschen und wir am drehen. In einigen lokalen Drehorten wollten sogar welche unser Set besetzen, aber lassen wir das beiseite. Doch in den letzten Jahren werden diese Unmöglichkeiten nach und nach aufgehoben. Es wird inzwischen viel professioneler gearbeitet.
Was hat Sie wieder nach Berlin zurückgeholt?
Nach dem Seriendreh 2006, 2007 bin ich wieder zurück nach Berlin gekommen und habe in dem Musical “Türkisch für Liebhaber“ mitgespielt. Danach habe ich “Tango Türk“ geschrieben und gespielt. Sinem Altan hat die Musik dazu komponiert. In Bezug auf den 12. September (Militärputsch in der Türkei 1980) war eine traurige Leere in mir. Deshalb habe ich den Text geschrieben, ausgehend von der Geschichte eines 12. September Flüchtlings.
Wie kamen Sie zur ihrer Rolle in Zenne?
In 2008 hatte ich noch einen Kinofilm gedreht. Aber wenn die Frage Zenne ist, ja, es war eine Riesenchance für mich. Hülya Duyar, eine Freundin aus Berlin, die in türkischen Serien mitspielt, hat zu Caner (M. Caner Alper, Drehbuchautor) und Mehmet (Mehmet Binay, Regisseur) gesagt, dass sie beim Cast behilflich sein wird. Über Skype hat sie mich darüber informiert. Mehmet und Caner kamen zu Castingaufnahmen nach Berlin. Ich war sehr aufgeregt, weil das Drehbuch mich sehr berührt hatte. Es sollte das erste Kinoprojekt von Caner und Mehmet werden. Sie waren so leidenschaftlich dabei, dass Caner zum Beispiel alle Kostüme, die er im Kopf hatte, extra anfertigen lies. Beide haben diesen Film regelrecht gelebt.
Wie haben Sie sich entschieden und wie wurde der Film gedreht?
Ich war so aufgeregt, dass ich Ihnen versprach 200 % zu geben um die Tänze für den Film in sieben Monaten zu lernen. Und sie haben meinen Worten vertraut, dafür möchte ich ihnen noch einmal danken. Der Film erzählt nicht nur die Geschichte von Ahmet, Zenne und Geovanni, sondern auch die Geschichten der Familien. Alle Rollen, die Caner abhandelt, haben eine Geschichte, die in dem Film ein Ende bekommen. Gewollt oder nicht gewollt, überall befinden sich kulturelle Minen. Giovannis Charakter stellt die Sichtweise des Westens auf die Türkei dar.
Glauben Sie, dass Sie zwei Idenditäten haben?
Am Ende bin ich jemand, der zwischen der Türkei und Deutschland geboren und aufgewachsen ist. Wie meine Vergangenheit wird auch meine Zukunft zwischen diesen beiden Ländern vergehen. Meine Großmutter in der Türkei war eine Lehrerin im Ruhestand. Die Selige hat mir bei der Sprache sehr geholfen und sehr aufgepasst. Sie war in der Türkei eine frührere Französischlehrerin. Natürlich haben meine Eltern sich auch sehr bemüht, dass ich beide Sprachen richtig spreche und lerne, das haben sie nie vernachlässigt. Damit das, was man lernt auch bleibend ist, muss man es bis zum Ende durchziehen, das ist bei Menschen aus zwei Kulturen noch wichtiger.
Detaillierte Post auf SABAH AVRUPA – Die Türkische Tageszeitung.