Echte Entschuldung statt Kommunen kaputtsparen – Keine IWF Politik auf Landesebene
RHEINBLIK
Özlem Alev Demirel *
Die PR-Maschinerie des Kommunalministers läuft derzeit auf Hochtouren: Überschuldeten Kommunen soll geholfen werden, 5,8 Milliarden zur Haushaltskonsolidierung sollen sie bekommen, das Land übernehme 45 % ihrer Haushaltsdefizite, keine Kommune werde überfordert, usw. heißt es. Doch die Realität sieht anders aus. Was da unter dem Titel „Stärkungspaktgesetz“ ins Parlament eingebracht wird, ist ein Sparhammer ähnlich wie in Griechenland. Lokale Infrastrukturen der NRW-Kommunen sollen unter Zwangsbewirtschaftung gestellt werden.
Derzeit weisen Kommunen in NRW einen Schuldenstand in Höhe von 53 Mrd. Euro auf, davon betragen allein die Kassenkredite rund 20 Mrd. €. Jedes Jahr kommen knapp 2,5 Mrd. Euro strukturelles Defizit hinzu. Hauptgrund: Der Bund, aber auch das Land hat den Kommunen Aufgaben ohne ausreichende Finanzierungsmittel aufgezwungen. Während Bund und Land Kürzungspolitik betreiben und angeblich Schulden abbauen wollen, zwingen sie den Kommunen die Schulden auf, die sie selbst nicht aufnehmen wollten.
In Deutschland werden Unternehmen und Vermögende gering besteuert und Banken bezuschusst. Damit Konzerne, Banken und Reiche weiter Profite machen können, wird den Kommunen eine Kürzungspolitik vorgeschrieben. Dabei ist das private Geldvermögen im Jahr 2010 auf 4,88 Billionen Euro gestiegen. Hinzu kommen weitere 8 Billionen Euro an Immobilien- und Sachvermögen. 60% davon, rund 7,73 Billionen, gehören den oberen 10 % der Bevölkerung. Würde man diesen oberen 10 % Superreichen und Milliardären nur 1/3 ihres Vermögens durch Steuern abschöpfen, dann wären alle Schulden von Kommunen, Bund und Ländern auf einen Schlag getilgt. Stattdessen macht der Bund eine skandalöse Steuerpolitik für Spekulanten, Großunternehmen und Reiche und lässt gleichzeitig die Kommunen am ausgestreckten Arm verhungern. Denn: Banken sind angeblich systemrelevant, Kommunen anscheinend nicht.
Die Landesregierung hat 350 Mio. Euro Konsolidierungshilfen aus Landesmitteln zur Verfügung gestellt. Doch in Anbetracht des Ausmaßes der Finanznot der Kommunen ist dies nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Dabei ist klar, wer wieder die Zeche zahlen soll: Die Kommunen und ihre Bürgerinnen und Bürger.
Denn die Landesregierung schlägt in ihrem Gesetzesentwurf vor, in einer ersten Stufe 34 Kommunen in NRW, die bilanziell überschuldet sind, zur Teilnahme am Konsolidierungsprogramm zu verpflichten. Für diese Kommunen sind jährlich 350 Mio. Landeshilfen reserviert. Im Gegenzug werden eigene Konsolidierungsbeiträge sprich Kürzungen der Empfängerkommunen, gefordert. Diese Kommunen sollen innerhalb von 5 Jahren einen ausgeglichenen Haushalt vorweisen. Beispiel: Die sechs teilnahmepflichtigen Gemeinden im Kreis Recklinghausen würden ca. 37 Mio. € erhalten, müssten aber Sparmaßnahmen im Volumen von 130 Mio. € auf den Weg bringen.
Die Teilnahme am Programm bedeutet:
• dramatische Kürzungen bei den Personalausgaben in den ohnehin schon unterbesetzen Kommunalverwaltungen, inkl. betriebsbedingter Kündigung,
• die Schließung vieler, wenn nicht gar aller freiwilligen Einrichtungen und ihr Abriss, da der Gebäudeunterhalt auch nicht möglich ist; das betrifft z. B. Bibliotheken, Musikschulen, Bäder, Kultureinrichtungen,
• eine drastische Erhöhungen der Grundsteuern sowie von Gebühren, Beiträgen und Entgelten zu Lasten der BürgerInnen. Grundsteuererhöhungen können auch ersatzweise vom Sparkommissar der Bezirksregierung verfügt werden.
• Privatisierung von kommunalem Vermögen
Das Zückerchen des Ministeriums: Die Gemeinden dürfen im größeren Umfang selbst entscheiden, wo sie die Abrissbirne einsetzen möchten.
Im Kern lässt sich festhalten: Das Land versucht sich mit diesem Gesetz als verlängerter Arm des Internationalen Währungsfonds (IWF). Sie legt ein Programm auf, damit ein Signal an die Finanzmärkte ausgestrahlt wird. Denn es gibt mittlerweile viele Städte, die auf Grund ihrer Schuldenlast nicht mehr allzu leicht an Kredite kommen. Damit Banken diesen Kommunen wieder gerne Geld geben, sollen sie bluten.
Selbst die SPD in den Kommunen ereifert sich gegen dieses Gesetz ihrer rot-grünen Landesregierung. Auch bei ver.di regt sich der Unmut, denn sollte dieses Gesetz verabschiedet werden, könnte es sehr schnell zu massivem Personalabbau in dem Kommunen kommen. Hiergegen ist Protest gefragt. Sollte die Minderheitsregierung im Parlament keine Mehrheit für das Gesetz kriegen, droht sie erneut mit Neuwahlen. Eine weitere Bestätigung dafür, dass die Landesregierung, tatsächlich als verlängerter Arm des IWF agieren möchte.
* NRW-Landtagsabgeordnete für die Partei die Linke
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