Durch Europa geht ein massiver Rechtsruck
Philipp Lohmann
In Ungarn verabschiedete die neue, mit einer 2/3-Mehrheit regierende, rechte Fidesz-Partei um Premier Orbáns kürzlich eine neue Verfassung, die unter anderem ein „Nationales Glaubensbekenntnis“ enthält. Hiermit werden sämtliche rechtsstaatlichen Entscheidungen des Verfassungsgerichts aus den letzten 20 Jahren zurückgenommen und dieser die Chance genommen, neue Gesetze auf Verfassungstauglichkeit zu überprüfen. Der Handlungsspielraum künftiger Regierungen wird massiv eingeschränkt, die jetzige jedoch erhält beinahe totalitäre Macht. Ein neues Mediengesetz schränkt die Pressefreiheit massiv ein. Journalisten müssen von nun an „ausgewogen“ berichten, ansonsten schreitet eine neu geschaffene Aufsichtsbehörde dazwischen. Die Nachrichtenagentur wird von nun an zentral geführt.
In Belgien bekommt die rechtspopulistische Vlaams Belang-Partei immer mehr Zuwachs und zählt schon seit gut 20 Jahren zu den drei stimmstärksten Parteien, zumindest in Flandern.
In den Niederlanden bekämpfen die PVV und dessen Vorsitzender Geert Wilders ganz offen den Islam und das mit einschlagendem Erfolg. Seit 2010 ist die Partei mit 15,5 % die drittstärkste Partei des Landes und das 4 Jahre nach ihrer Gründung.
In Österreich sind auch dieses Jahr in Wien aus ganz Europa rechte Politiker beim Ball des Wiener Korporationsrings zusammen gekommen. Der Ball wird jährlich organisiert vom Zusammenschluss rechtsgerichteter Burschenschaften und ähnlicher Studenten-Verbindungen. Zu diesen gehört unter anderem die berüchtigte Burschenschaft Olympia, die regelmäßig damit auffällt, Holocaustleugner und rechtsextreme Liedermacher zu Vorträgen einzuladen. Es kamen Gäste, wie die Chefin des französischen Front National, Marine Le Pen, Vertreter von den wohl bestens bekannten deutschen Parteien Pro Köln, Pro NRW, der NPD, sowie vom belgischen Vlaams Belang. Die Partei des 2008 verstorbenen Jörg Haider, die nach aktuellen Umfragewerten mit der Regierungspartei SPÖ bei 28% gleichauf liegt, wirbt mit Slogans wie „Daham statt Islam“. Auch wenn Rechtsextremismus in Deutschland leider immer noch salonfähig gemacht wird, wäre die Vorstellung, dass die NPD als stärkste Partei aus dem Rennen geht und somit ein zweites 33 zum Glück unvorstellbar. Doch direkt nebenan geschieht genau das. Dabei ist Wien nach neuesten Rankings eine der drei Top-Städte mit der höchsten Lebensqualität weltweit. Die Menschen sind also soweit zufrieden. Doch auch in den neuesten Umfragen zeigt sich, dass Vorurteile und Ausländerfeindlichkeit auf der Tagesordnung stehen: der Großteil der Menschen hier sind beispielsweise der Meinung, dass zu viele Türken in Europa oder Österreich leben. In der sogenannten „Europäischen Wertestudie“ wurden 67.774 Personen in 45 Ländern befragt, ob sie sich „Migranten als Nachbarn wünschen“. Das Ergebnis: Österreicher hegen die größte Antipathie gegen Migranten. Die Forscher sind sich auch über die Ursachen einig: die Studienautoren Sieglinde Rosenberger und Gilg Seeber sehen die Ursachen in der Politisierung durch Parteien und Medien, so auch ihre Publikation.
Doch: Die Gefahr im Nachbarland darf man nicht unterschätzen und auch die Gefahr der Medien nicht. Wie man sieht schafft nicht nur allein Wohlstand und ein gutes Sozialsystem Hass und Vorurteile aus der Welt. Dazu gehört auch endlich aufzuhören, Rechtsextremismus salon- und politikfähig zu machen.
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